Der Katalog der Corinth-Ausstellung der Nationalgalerie von 1926 gab dem Bild, das sich damals noch im Besitz der Witwe befand, den Titel: "Das Berliner Schloß von der Darmstädter Bank aus". Corinth erfasste in ungestümer Pinselschrift einen schrägen Blick über die Spree hinweg auf die Westseite des Schlosses, wo sich ehemals die ´Schloßfreiheit´ befand, deren Anwohner ursprünglich Steuerfreiheit genossen (vgl. das Gemälde von Eduard Gartner aus dem Jahre 1855, Inv.-Nr. NG 7/93). Nun nahm diesen Platz das monumentale Nationaldenkmal für Kaiser Wilhelm I. von Reinhold Begas ein, von dem man den mächtigen, weit in die Spree hineinragenden Unterbau erkennen kann und die weiß schimmernde Rückseite der Reitergruppe. Das berühmte, barocke Eosander-Portal verschwindet dahinter. Bekrönt wird die Darstellung von der durch Friedrich August Stüler von 1845-1853 über der Schloßkapelle errichteten Kuppel. Der nach der Revolution von 1918 seines ursprünglichen Zwecks beraubte Schloßbau ist nurmehr ein monumentales Architekturdenkmal, ein bildfüllendes Motiv. Die Denkmalfigur auf hohem Sockel rechts unten im Bild übernimmt die Rolle der sinnenden Betrachterfigur, eine Rückenfigur, wie sie in der Malerei der deutschen Romantik vielfach vorkam. Es handelt sich um eine der drei großen Bronzestatuen (Karl Friedrich Schinkel, Christian Wilhelm Beuth, Albrecht Daniel Thaer) auf dem Schinkelplatz am diesseitigen Ufer. Corinth empfand den Untergang des fest gefügten Kaiserreichs als gesellschaftliche und persönliche Bedrohung. Im Dezember 1922 formulierte er: „mir ist der Boden unter den Füßen entzogen. Ich schwebe in der Luft.“ (Lovis Corinth, Selbstbiographie, Leipzig 1926, S. 161) - Eine Lithographie vom gleichen Jahr wiederholt das Motiv. | Angelika Wesenberg
1955 erworben durch das Land Berlin
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