Original: Deutsch
Der Brunholdisstuhl bei Bad Dürkheim.
Seit Beginn des Jahren werden am sog. Brunholdisstuhl bei Bad Dürkheim
mit Unterstützung der Notgemeinschaft der deutschen Wissenschaft Ausgra-
bungen in grösserem Umfang als Notstandsarbeit durchgeführt. Träger der Ar-
beit ist die Stadt Bad Dürkheim, die wissenschaftliche Leitung hat das Hi-
storische Museum der Pfalz übernommen. Noch sind die Arbeiten nicht abge-
schlossen, sie haben aber bereits wertvolle Ergebnisse gezeitigt, an denen
weite Kreise nicht nur von Fachleuten sondern auch von Freunden deutscher
Vorgeschichte lebhaften Anteil genommen haben.
Der Brunholdisstuhl, der diesen Namen erst seit etwa 80 Jahren zu Un-
recht führt und im Volksmund Krummholzerstuhl genannt wurde, ist eine am
Ostrand der in vorrömischer Zeit erbauten umfangreichen Heidenmauer gele-
gene Felsnase. Bis zu 20 m hohe von oben bis unten mit Eisenwerkzeugen ab-
gearbeitete Felswände ragen hier senkrecht in die Höhe. Auf Ihnen finden
sich seit langem bekannte Felszeichnungen eingemeisselt und zwar vor allem
Sonnenräder und Darstellungen von Pferden.
Schon bald ein Jahrhundert beschäftigt sich die Heimatforschung mit
dem Geheimnis des Brunholdisstuhles. Die einen wollten in ihm, so wie er
sich uns heute darstellt, einen Steinbruch aus der Zeit der Römerherrschaft
sehen, die andern eine Kultanlage. Die in Heft 16 wiedergegebene Rekonstruk-
tion zeigt, wie manche Kreise, die in dem Brunholdisstuhl eine Kultstätte
sehen möchten, sich den ursprünglichen Zustand denken. Als Unterlage wurde
eine von Dipl. Ing. A. Teuffel gezeichnete Ansicht aus der Vogelschau verwen-
det, die in der Zeitschrift "Nordische Welt" veröffentlicht ist, und die den
Zustand vor Beginn der Ausgrabungen zeigt. Was gegenüber der Vorlage geän-
dert ist, entspricht in keiner Weise dem Ergebnis der Ausgrabungen. Ebenso
phantastisch ist der Text. Sowohl der Zeichner wie Verfasser des Textes
haben den Brunholdisstuhl seit Beginn der Grabungen nicht gesehen.
Dass die Felszeichnungen auf einen einheimischen Sonnenkult zurückzu-
führen seien, darüber waren sich fast alle einig, die sich mit dem Denkmal
beschäftigt haben. Zweck der z. Zt. noch im Gange befindlichen Ausgrabungen
ist es, darüber Klarheit zu schaffen, ob es sich um einen Steinbruch oder
eine Kultanlage handelt, sowie weitere Felszeichnungen zu finden.
Die bisherigen Ergebnisse der Ausgrabungen sprechen dafür, dass es
sich um einen Steinbruch aus der Zeit der Römerherrschaft handelt. Eine
grosse neu entdeckte Inschrift nennt uns die 22. Legion, die von 90 n. Chr.
bis zum Ende der Römerherrschaft am Rhein in Mainz lag. Die Entstehung der
Inschrift liegt zwischen den Jahren 211 und 235 n. Chr. Damals wurden die
Legionen grossenteils im Lande selbst ausgehoben. So finden wir unter den
am Brunholdisstuhl festgestellten Namen keine Römer sondern nur Einheimi-
sche. Die Aufdeckung der Sohle zeigt, dass der Steinbruch mitten im Betrieb
plötzlich aufgegeben wurde. Auch alle zum Steinbruchbetrieb erforderlichen
Eisenwerkzeuge wie Zweispitz, Keile und Hamner haben sich bei den derzei-
tigen Grabungen vorgefunden. Wenn hier durch die Mainzer Legion Steine ge-
brochen wurden, so muss man erwarten, dass unter den in Mainz gefundenen
Steindenkmälern solche aus dem Material des Brunholdisstuhles vertreten
seien. Eine Untersuchung bestätigte nicht nur in vollem Umfang diese Erwar-
tung (es handelt sich um Steindenkmäler im Gewicht von vielen Hundert Zent-
nern), sondern sie ergab auch wertvolle Anhaltspunkte für die Altersbestim-
mung. Der Steinbruchbetrieb wurde durch die 1. und 14. Legion zwischen 70 und
90 n. Chr. aufgenommen und von 90 bis ins 4.Jahrhundert durch die 22. Legion
weitergeführt. Zweifellos stellt der Brunholdisstuhl den bedeutendsten rö-
mischen Steinbruch dar, den wir auf deutschem Boden besitzen.
Weit höhere Bedeutung wurde aber von Anfang an den Felszeichnungen bei-
gemessen. Sie sind, unregelmässig über dis Felswände zerstreut und zeigen
durch dis Verschiedenheit der Ausführung, dass sie von verschiedenen Händen
herrühren. Zu den schon länger bekannten Zeichnungen sind durch die Gra-
bungen einige weitere hinzugekommen. Wir finden hier z. T. an Stäben befestig-
te Sonnenräder, Pferde, menschliche Figuren und eine Sonnenuhr. Wenn diese
Zeichnungen auch in römischer Zelt entstanden sind, so hat man doch schon
lange erkannt,dass sie nichts mit den Kultanschauungen Italiens zu tun ha-
ben, dass sie vielmehr auf einen einheimischen Sonnenkult zurückgehen.
Die Beziehung zur Heidenmauer zeigt uns, dass dieser Kult in vorrömi-
sche Zeit zurückreicht. Von diesem Sonnenkult legen auch sonstige Denk-
mäler aus der Zeit der Römerherrschaft Zeugnis ab. Insbesondere finden
wir im Gebiete der Kelten und Germanen Denkmäler eines Jupiter, der als
Attribut ein Rad trägt, eine Verquickung von römischen mit keltisch-
germanischen Kultvorstellugen. In dor gleichen reinen durch römische
Anschauungen unbeeinflussten Form finden wir jedoch die Kultsymbole
unserer Vorfahren kaum an einem andern Platze. Sie sind uns besonders
auch deshalb von so hohem Werte, weil wir aus dem ganzen Gebiet aus der
letzten vorrö-
mischen Zeit kaum irgend welche Kultsymbole kennen.
In der Zeit, als dis Felszeichnungen entstanden, bewohnten Germanen
und zwar Nemeter und Vaagionen die Gegend. So sind wir berechtigt, den
am Brunholdisstuhl geübten Sonnenkult den Germanen zuzuschreiben. Sind
wir aber berechtigt, hier von bestimmten germanisenen Gottheiten, deren
Namen uns erst aus nachrömischer Zeit überliefert sind, zu sprechen?
Dies ist eine der Hauptfragen, welche die Forschung noch beschäftigen
muss. Dürfen wir das Rad Donar, das Pferd Wotan zuschreiben? Zweifellos
spricht manches dafür. In christlicher Zeit tritt an die Steile Donars
gerne Petrus, an die Stelle Wotans Michael. Die Versuchung liegt nahe,
hier eine Verbindung zu benachbarten Oertlichkeiten herzustellen. Der
Brunholdisstuhl selbst liegt auf einem Ausläufer des Peterskopfes, und
östlich von ihm liegt der Michelsberg, auf dem einst eine von Gräbern
der Merowingerzeit umgebene Kapelle stand. In diesem Zusamenhang ver-
dienen besonders zwei Steine Beachtung, die eine halbe Stunde nördlich
des Brunholdisstuhles am Ausgang des Kallstadter Tälchens gefunden
wurden. Der eine Stein trägt die Buchstaben I O M (Jovi optimo maximo),
also eine Weihung an Jupiter, den besten und grössten, der andere Stein
zeigt dar Bildnis eines Raben. Jupiter erscheint, wie wir bereits gesehen
haben, häufig als römischer Ersatz für einen einheimischen Sonnengott.
Den Raben kennen wir nur als Begleiter des Wotan, dem keltischen und
römischen Kult ist er fremd.
Für die Kenntnis der religiösen Anschauungen unserer Vorfahren
hochwichtige Fragen werden durch die Felszeichnungen am Brunholdisstuhl
angeschnitten und es kann hier nur die Hoffnung ausgesprochen werden,
dass sie durch weitere neue Funde am Brusholdisstuhl weitere Klärung
erfahren.
Dr. Sprater.