Original: Deutsch
Der Brunholdisstuhl bei Bad Dürkheim
Seit bald einem Jahrhundert beschäftigt sich die pfälzische
Heimatforschung mit den Geheimnissen des sog. Brunholdisstuhles
bei Bad Dürkheim, einer Gruppe senkrecht aufstrebender recht-
winklig zu einander stehender Felswände, deren Mehrzahl von oben
bis unten abgearbeitet ist. Die Veröffentlichungen befassten sich
mit der Deutung des Namens, der Erklärung der Anlage und der auf
den Felswänden befindlichen Felszeichnungen.
Bereits in den 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts wurden
hier durch den Dürkheimer Altertumsverein unter Leitung seines
Konservators Dr. Mehlis Ausgrabungen geringen Umfanges durchge-
führt. 1917 liess die Dürkheimer Ortsgruppe des Pfälzerwaldvereins
an einer Felswand ein Denkmal für seine für das Vaterland gefal-
lenen Mitglieder anbringen und bei dieser Gelegenheit mit Hilfe
kriegsgefangener Soldaten weitere Teile der Felswände freilegen.
Bei keiner dieser Arbeiten war es gelungen,auch nur an einer
Stelle die Sohle der Felswände zu erreichen. Mit einer Gruppe von
durchschnittlich ZO Arbeitern wurden nun im Februar dieses Jah-
res umfassende Grabungsarbeiten aufgenommen mit dem Ziele, die
ganze Anlage vollständig freizulegen. Träger der Arbeit ist die
Stadt Bad Dürkheim, wissenschaftlicher Leiter das Historische
Museum der Pfalz. Ueber die Hälfte der notwendigen Arbeiten ist
bereits ausgeführt und es besteht begründete Aussicht, dass die
Grabungen bis zur Erreichung des gesteckten Zieles durchgeführt
werden können. Auch die Notgemeinschaft der Deutschen Wissenschaft
hat von Anfang an die Arbeiten tatkräftig gefördert.
Der Namen "Brunholdisstuhl" oder "Brunhildisstein" für die
Felsengruppe wurde erstmalig von Pfarrer Lehmann in dem im Jahre
1867 erschienenen 4. Bande der "Bavaria" gebraucht. Es liegt hier
zweifellos eine Verwechslung mit einem in einer Dürkheimer Grenz-
beschreibung von 1560 genannten "Brûnoldez stûl" vor, der jedoch
weiter südlich lag. Unsere Felsengruppe heisst im Volksmund der
"Krummholzerstuhl" nach Lehmann auch der "krummholzene Stuhl".
Für diesen Namen liegen drei Erklärungsversuche vor. Man hat den
Namen mit den Krummholzern, d.h. mit den Wagnern, in Verbindung ge-
bracht oder ihn auf einen Familiennamen Krummholz zurückgeführt.
Endlich hat man versucht, den Namen sprachlich von "Brûnoldez
stûl" abzuleiten. Zu bemerken ist hier, dass eine Waldabteilung
nördlich von unserm Platze auf Leistadter Gemarkung gleichfalls
Krummholzerstuhl heisst. So können wir heute nur eines feststellen,
dass unsere Felsanlage den Namen Brunholdisstuhl zu Unrecht führt.
Aufgabe der Geschichtsforschung und der Sprachforschung wird es
sein, den richtigen Namen auf Grund von Nachforschungen in den zu-
ständigen Archiven festzustellen und zu erklären.
Die Felsgruppe des Brunholdisstuhles wurde bald als römischer
oder mittelalterlicher Steinbruch, bald als römisch-germanische
Kultstätte und endlich gar als Bastion der nahe gelegenen Heiden-
mauer erklärt. Bereits 1917 hat der Verfasser zu dieser Frage Stel-
lung genommen, die Entstehung der Felswände aus der Steinbruchtech-
nik erklärt und auf Grund des Nachweises von aus dem Material des
Brunholdisstuhles hergestellten römischen Steindenkmälem die Ent-
stehung in die Zeit der Römerherrschaft verlegt. Die Richtigkeit
dieser Annahme wurde durch das bisherige Ergebnis der Ausgrabungen
in vollem Umfang bestätigt.
Die Steine wurden am Brunholdisstuhl in der Weise gebrochen,
dass man den zu gewinnenden Quader auf allen Seitenflächen durch
mit der Zweispitz eingehauene Rinnen losgetrennt hat. Dann erst
wurde der Quader durch am Grunde eingetriebene Eisenkeile vom
Felsen abgehoben. Diese sog. Schrotgräben und ihre Reste ha-
ben sich überall am Brunholdisstuhl von der Oberfläche bis zur
Sohle vorgefunden. Die vorhandenen Schrotgräben haben eine Tiefe
bis zu 60 cm und eine Breite von durchschnittlich 10 - 15 cm.
Die Wände der Schrotgräben zeigen die gleiche Bearbeitung in
viertelkreisförmigen Riefen wie die Wände des Brunholdisstuhles,
ein Beweis dafür,dass die ganze Abarbeitung der Felswände aus
der Steinbruchtechnik zu erklären ist. Die Abarbeitung erfolgte
mit grosser Geschicklichkeit teils senkrecht teils nach innen
abgeschrägt, so dass hier die Felswände überhängen. Ausserdem fin-
den sich einzelne Steine, die am Rande kleine rechteckige Ein-
schnitte zeigen. Diese dienten zum Einsetzen von Eisenkeilen, um
den Stein vom Felsen abzulösen. Bei den Ausgrabungen haben sich
auch alle zum Steinbrechen und Bearbeiten notwendigen Werkzeuge
vorgefunden nämlich Zweispitz, Eisenkeile ,Schlägel und Meissel.
Zahlreiche Quadern und halbfertige Werkstücke wie ein Kapitäl,
ein Sargdeckel und mehrere runde steinerne Tischplatten zeugen
gleichfalls von der Tätigkeit der Steinbrucharbeiter.
Dass am Brunholdisstuhl in der Zeit der Römerherrschaft
Steine gebrochen wurden, ist durch die an den Felswänden wie auf
einzelnen Quadern gefundenen römischen Inschriften klar erwiesen.
Es sind bisher 9 Inschriften auf den Felswänden und 5 Inschriften
auf Quadern festgestellt. Die Inschriften geben uns zumeist die
Namen von Arbeitern an. Nur wenige Inschriften geben uns Aufschlüsse
über den Steinbruchbetrieb. Ein Mann namens Natalis war Soldat der
22. Legion. Die Tätigkeit der 22. Legion ist uns noch dreimal auf
den Felswänden und einmal auf einem Quader bezeugt. Neben einem
rohen bärtigen Kopfe lesen wir PRIMVS MAGISTRI. Es handelt sich
hier wohl um eine Karikatur, die ein Arbeiter auf seinen Vorarbei-
ter machte. Darnach war ein Magister Leiter des Betriebes, während
wir aus andern Steinbrüchen Centurionen als Leiter kennen. Die An-
gabe in einer Inschrift ANGVLVS QVIN(TVS) = fünfter Winkel be-
zieht sich wohl auf den Steinbruchbetrieb. Auch die einmal vor-
kommende Angabe des Tages und Monats: VI ID AVG (an den 6. Iden des
August - 8. August) dürfte sich auf den Steinbruchbetrieb beziehen.
Da die 22.Legion von 90 - 400 n. Chr. in Mainz lag, haben wir
für die Zeit ihrer Tätigkeit am Brunnoldisstuhl einen weiten Spiel-
raum. Viermal führt die Legion den Beinamen P (oder PR) P F = pri-
migenia pia fidelis, einmal finden wir nach der Zahl XXII ein A,
den abgekürzten Namen eines Kaisers. Das A ist aufzulösen in An-
toniniana oder Alexandiana und bezieht sich auf den Kaiser Cara-
calla (M. Aurelius Antoninus Pius) 211-217 n. Chr. oder Severus Ale-
xander 222-255 n. Chr. Durch diese Inschriften ist uns der Brunhol-
disstuhl als ein Steinbruch der Mainzer Legionen, als Staatsbetrieb,
erwiesen. In der Zeit, aus welcher die Inschriften stammen, wurden
die Soldaten grösstenteils im Lande selbst ausgehoben. Dafür spricht
auch die Mehrzahl der in den Inschriften vorkommenden Namen.
Nachdem es sich bei dem Brunholdisstuhl um einen Steinbruch
der Mainzer Legionen handelt, war anzunehmen, dass sich in Mainz
römische Denkmäler aus dem Material des Brunholdisstuhles nach-
weisen liessen. Eine unter diesem Gesichtspunkt vorgenommene Un-
tersuchung der römischen Steindenkmäler im Lapidarium des Mainzer
Altertumsvereins bestätigte nicht nur in vollem Umfang diese Ver-
mutung sondern lieferte auch wertvolle Aufschlüsse über die Zeit
und den Umfang des Steinbruchbetriebes. Aus Material des Brunhol-
disstuhles bestand vor allem ein bedeutender Achteckbau, der durch
die I. Legion zwischen 70 und 90 n. Chr. errichtet wurde und dessen
Steine in die Fundamente der römischen Stadtmauer von Mainz ver-
baut wurden. Neben der I. Legion arbeitete gleichzeitig auch die
XIV. Legion in unserm Steinbruch. Das Vorkommen einer grösseren Zahl
von Steinsärgen aus dem Material des Brunholdisstuhles beweist
dass der Betrieb bis ins 4. Jahrhundert währte. Bei den übrigen
Steinen handelt es sich überwiegend um offizielle Denkmäler
wie Kaiserinschriften, Legionsinschriften, Meilensteine u.ä.
Die Untersuchung des Steinmateriales in Mainz hat also erge-
ben, dass wir bei dem Steinbruchbetrieb am Brunholdisstuhl mit
einer Zeitdauer von 250 bis 500 Jahren zu rechnen haben.
Der Brunholdisstuhl ist der bedeutendste Steinbruch aus
der Zeit der Römerherrschaft, den wir auf deutschem Boden be-
sitzen. Noch bedeutendere gleichartige Steinbrüche, in denen
gleichfalls auf den Steinbruchbetrieb bezügliche Inschriften
festgestellt sind, kennen wir aus den Mittelmeerländern. Was
jedoch den Brunholdisstuhl von andern ähnlichen Anlagen un-
terscheidet, ist die grosse Zahl der hier aufgefundenen Fels-
zeichnungen. Einige Felszeichnungen waren bereits vor Beginn
der neuen Ausgrabungen bekannt, so ein sechsspeichiges Rad, zwei
Stäbe mit achtspeichigen Rädern, drei ausgeführte und ein ange-
fangenes Pferd. Sie haben anfangs sehr verschiedene Deutung er-
fahren. Die Stäbe mit Rädern wurden als Legionszeichen, als Mer-
kurstäbe aber auch als Stäbe mit Sonnenrädern, als das Urbild
der Bretzelstäbe, wie sie heute noch bei uns bei den Frühlings-
feiern getragen werden, erklärt. Die Felszeichnungen haben durch
die neuen Grabungen eine erfreuliche Vermehrung erfahren. Es
sind vor allem menschliche Figuren, Tiere und Symbole. Unter den
menschlichen Figuren ist besonders wichtig ein Mann, der mit der
Rechten über dem Kopfe und mit der linken vor dem Leibe je eine
Lanze hält. Die Beine sind gekreuzt, offenbar im Tanzschritt. Wir
dürfen diese Figur wohl als Speertänzer bezeichnen. Ueber Waffen-
tänze der Germanen schreibt Tacitus in seiner Germania Kap. 24:
An Schauspielen hat man dort nur eine Art, die bei jeder Zusammen-
kunft wiederkehrt. Jünglinge, deren Sport das ist, werfen sich mit
blossem Leib im Sprunge zwischen drohendstarrende Schwerter und
Lanzen. Uebung hat Kunst, Kunst hat Anmut erzeugt; es geschieht je-
doch nicht zum Erwerb oder um Verdienst: den kecksten Wagemut
lohnt die Lust der Zuschauer. Eine kultische Handlung stellt viel-
leicht auch ein anderer Mann in steifer Haltung da, der einen Auf-
satz auf dem Kopfe trägt und schräg eine lange Stange hält. Eine
zur Hälfte in Relief ausgearbeitete Figur dürfte gleichfalls ei-
nen Tänzer darstellen. Schwer zu deuten ist eine bereits 1917 ge-
fundene in einer Nische stehende Figur. Der linke Arm ist erhoben.
Die Haltung des rechten Armes ist nicht erkennbar. Anfangs wurde
versucht, die Figur als Merkur zu erklären, doch ist dies nach der
ganzen Haltung nicht möglich. Auch die Erklärung als Jupiter
ist nicht sicher, aber immerhin möglich. Vielleicht gehört sie
zu einer Gruppe von Darstellungen der Jahreszeiten, wie sie sich
am Turm der Hirsauer Kirche befindet. Eine Eigur mit zwei erho-
benen Armen wird als Sommer, eine zweite Eigur mit zwei gesenk-
ten Armen und einem daneben stehenden Rad als Winter und eine
dritte Figur mit einem erhobenen und einem gesenkten Arm als
Sonnenwende erklärt. Eine fünfte am Brunholdisstuhl neu aufge-
deckte Figur ist so unvollständig ausgeführt, dass sich jeder
Erklärungsversuch erübrigt. Endlich sind an den Wänden zwei Kö-
pfe festgestellt, von denen der eine an einen Jupiter erinnert
während der andere uns wie eine Karikatur anmutet.
Zu den drei ausgeführten und dem einen angefangenen Pferd
sind durch die neuen Grabungen noch zwei weitere Pferde hinzu-
gekommen. Während aber die bisher bekannten Pferde in Umrissli-
nien ausgeführt sind, sind die beiden neugefundenen Pferde in
Relief gearbeitet. Die Häufung von Pferdedarstellungen ist zwei-
fellos auffallend. Von der Bedeutung des Pferdes im Kulte der
Germanen berichtet Tacitus im 10. Kapitel seiner Germania: eigen
ist der Nation auch Ahnungen und Mahnungen von Pferden festzu-
stellen. Von Gemeinde wegen unterhält man solche in eben jenen
Hainen und Wäldern; sie sind blendend weiss und durch keinerlei
profane Dienstleistung entweiht. Man spannt sie an den heiligen
Wagen und es begleiten sie der Priester und der König bezw. der
Gemeindeoberste und achten auf ihr Wiehern und Schnauben. Und
auf keine Vorbedeutung baut man mehr, nicht nur die Menge son-
dern auch der Adel; Die Priester sind nämlich nach ihrer Anschau-
ung Diener, jene sind Mitwisser der Götter. Gegenüber den Pferden
treten die übrigen Tierdarstellungen am Brunholdisstuhl zurück.
In ihrer Bedeutung noch nicht geklärt ist die Darstellung eines
Vogels mit einer Schlange. Die rohe Darstellung eines Vierfüss-
lers mit Geweih ist wohl als Hirsch zu erklären. Eine weitere
Tierdarstellung ist so roh ausgeführt, dass eine Bestimmung nicht
möglich ist.
Von Symbolen sind schon länger bekannt ein sechsspeichiges
Rad und zwei Stäbe mit achtspeichigen Rädern. Nicht beachtet wur-
de früher die sehr rohe Darstellung eines Stabes mit vierspei-
chigem Rad. Das Rad ist ein weit verbreitetes Sonnensymbol. In
Obergermanien aber auch in Gallien sind zahlreiche Darstellungen
eines Jupiter gefunden, der als Attribut ein Rad trägt, das auf
JupiterdarStellungen Italiens nicht vorkommt. Zweifellos handelt
es sich hier um einen einheimischen Himmelsgott, der in der Zeit
der Römerherrschaft in Gestalt des römischen Jupiter dargestellt
wurde. In den Stäben mit Rädern hat man schon früher, wohl mit
Recht, das Urbild der Bretzelstäbe gesehen, wie sie heute noch am
Somnertag getragen werden. In den gleichen Kreis der Sonnensym-
bole gehört ein dreiarmiges Hakenkreuz (Triquetrum), das in sehr
roher Ausführung auf einer Felswand gefunden wurde. Zu den Sym-
bolen ist auch die Darstellung eines Phallus auf einer Felsplatte
und eine ähnliche Darstellung auf einer Felswand zu reebnen. Dann
wäre noch ein Zeichen in Gestalt eines nach unten offenen U, das
von einem senkrechten Strich durchschnitten ist, zu erwähnen. Die-
ses Zeichen wird vielfach als Symbol des Winters erklärt und fin-
det sich umgekehrt als Symbol des Sommers auch auf prähistori-
schen Gefässen. Endlich wurde noch auf einem Quader die Dar-
stellung einer Sonnenuhr gefunden.
Die Felszeichnungen stempeln den Brunholdisstuhl zu einem
in Deutschland einzig dastehenden Denkmal. Während die Inschriften
sich auf den Steinbruchbetrieb beziehen haben die Felszeichnungen
nicht das geringste damit zu tun. Sie stehen in Beziehung zu Kult-
anschauungen und zwar nicht Italiens sondern des römischen Germa-
nien. Dass die senkrecht abfallenden Felswände des Brunholdisstuhl
nicht wie in einem Bericht in der Berliner Illustrierten Zeitung 2
versucht wurde, als Kultdenkmal zu erklären sind sondern als Stein-
bruch ist durch den bisherigen Verlauf der Ausgrabungen klar er-
wiesen. Mit Recht hat das Reichs-Ueberwachungsamt der NSDAP gegen
diese Ausgeburt einer zügellosen Phantasie schärfsten Einspruch
erhoben. Ich möchte vielmehr annehmen, dass sich auf der gegen die
Rheinebene vorspringenden Felsnase, die sich ausgezeichnet zur Be-
obachtung der aufgehenden Sonne eignete, vor Anlage des Steinbru-
ches die Kultstätte befand. Wenn hier besondere Kultbauten bestan-
den hätten, wären sie durch den Steinbruchbetrieb zerstört.Es be-
steht aber gar keine Notwendigkeit, das ehemalige Vorhandensein
von Kultbauten anzunehmen. Es würde dies auch den Angaben des Ta-
citus widersprechen, der in Kapitel 9 seiner Germania schreibt:
Die Götter nicht innerhalb der Wände einzuschliessen oder irgend-
wie nach Art des Menschlichen Antlitzes zu bilden, das erachten
sie der Hoheit der Himmlischen angemwssen. Wälder und Haine weihen
sie und mit Götternamen rufen sie jenes Geheimnisvolle an, das sie
nur in Andacht schauen. Ganz abwegig ist die Behauptung, der Stein-
bruch sei von den Römern angelegt worden,um die germanische Kult-
stätte zu zerstören. Die aufgewendete Arbeit würde in keinem Ver-
hältnis zu dem erstrebten Ziel stehen. Wenn die Römer dies aber
wirklich getan hätten, so hätten sie doch niemals erlaubt, dass
auf den zur Zerstörung der Kultstätte angelegten Wänden die Kult-
zeichnungen angebracht werden. Ausserdem wissen wir, dass die Römer
den einheimischen Kult in keiner Weise unterdrückt haben, dass
nordische Gottheiten sogar in Rom Eingang gefunden haben. Die Aus-
grabungen haben auch nicht den geringsten Anhaltspunkt für eine
absichtliche Verschüttung der Felswände in nachrömisch-christli-
cher Zeit ergeben. Die vor den Felswänden liegenden Massen bestehen
ausschliesslich aus Schutt, wie er sich im Steinbruchbetrieb er-
gibt: Schrot- und Bossierschutt und nicht verwendete Steine darun-
ter zahlreiche Quadern. Derartige Steine liegen auch an der Ober-
fläche der Schuttmassen. Sie sind niemals von unten nach oben ge-
bracht sondern oben gebrochen worden. Nach dem bisherigen Ergebnis
der Ausgrabungen glaube ich annehmen zu dürfen, dass von der hier
ansässigen germanischen Bevölkerung bereits in vorrömischer Zeit
Kultfeste, ich denke vor allem an Sonnwendfeiern, veranstaltet wur-
den. Durch die Anlage des Steinbruchs durch die Mainzer Legionen
wurde zwar der zur Verfügung stehende Platz vor der Heidenmauer
eingeengt, die Feste jedoch ohne weitere Behinderung weiter gefei-
ert. An diesen Festen nahmen auch die im Steinbruch beschäftigten
Legionssoldaten, die besonders in der späteren Kaiserzeit zum grossen
Teil im Lande selbst ausgehoben wurden, teil und haben dann in Er-
innerung an das Erlebte die Felszeichnungen eingemeisseit. Hieraus
erklärt sich in ungezwungener Weise, dass sie planlos über die Wände
zerstreut und in der Ausführung so verschieden sind. Dass sich Re-
ste des Sonnenkultes bis in die neueste Zeit hier erhalten haben,
schreibt Pfarrer Lehmann in seinen 1834 erschienenen Werke: Das
Dürkheimer Tal. Darnach belustigte sich hier die Jugend Dürkheims
auf Fastnacht mit einem wahrscheinlich aus einem heidnischen Ge-
brauch herrührenden Freudenfeuer.
Die Felszeichnungen mit bestimmten germanischen Gottheiten
wie Donar oder Wodan in Verbindung zu bringen erscheint mir im
Augenblick, wo die Ausgrabungen noch mitten im Gange sind und je-
derzeit neue Aufschlüsse bringen können, noch verfrüht. Auch einer
Stellungnahme zu der Frage, ob benachbarte Oertlichkeiten wie der
Michelsberg u.a. in Beziehung zum Brunholdisstuhl stehen, möchte
ich mich vorerst enthalten. Zweifellos gibt es aber hier Oertlich-
keiten, bei denen eine Prüfung durchaus berechtigt erscheint. Ver-
dächtig ist hier vor allem der Michelsberg. Der hl. Michael ist
nicht selten der christliche Nachfolger des germanischen Wodan.
Die einst dort befindliche Michaelskapelle muss in sehr frühe
Zeit, wenigstens ins 7.Jahrhundert n. Chr. zurückreichen, denn un-
mittelbar bei ihr wurden zahlreiche fränkische Plattengräber ge-
funden. Beachtung verdient in diesem Zusammenhang auch ein Fund,
der in den 80er Jahren des vorigen Jahrhunderts eine halbe Stunde
nördlich des Brunholdisstuhles beim Ausgang des Kallstadter Täl-
chens gemacht wurde. Es sind dies zwei Steine, von denen der eine
die Inschrift I O M (Jovi optimo maximo - Jupiter dem besten und
grössten), der andere das Relief eines Raben trägt. Auch hier lässt
uns der Rabe an Wodan denken. Ob der Peterskopf,
auf dessen südöstlichem Ausläufer der BrunholdisStuhl liegt, ist
schwer zu entscheiden. Wohl erscheint Petrus gerne als der christ-
liche Nachfolger des germanischen Donar. Der Peterskopf gehört aber
zu der Gemeinde Freinsheim, deren Schutzpatron St. Petrus ist. Auch
auf die vielumstrittene Frage der Ortungslinien möchte ich hier
nicht eingehen, solange ich nicht die ganze Frage in Bezug auf den
Brunholdisstuhl eingehend geprüft habe.
Ueber die Deutung und Auswertung der Felszeichnungen des
Brunholdisstuhles wird wohl noch viel geschrieben und widerstrei-
tende Meinungen werden geäussert werden. Es kann dies nur begrüsst
werden, sofern die Arbeiten auf ernsten wissenschaftlichen For-
schungen beruhen und es sich nicht um Ausgeburten einer über-
reizten Phantasie handelt. Eines glaube ich aber heute schon sagen
zu können, dass der Brunholdisstuhl eines der wertvollsten Denk-
mäler bildet, die es uns ermoglichen, einen Einblick in das Geistes-
leben unserer germanischen Vorfahren zu gewinnen.