Original: Deutsch
Schatzkammer Heimatmuseum
Ein Souvenir-Kleber von Haken und Ösen
Kurioses und Alltägliches (3): Eine seltsame „Schatztruhe“ aus der Jahrhundertwende-Zeit
Von unserem Mitarbeiter Wolfgang Knapp
Zu den merkwürdigsten Exponaten
im Dürkheimer Heimatmuseum
zählt eine „Schatztruhe“ ganz be-
sonderer Art. Denn sie birgt ihren
Schatz nicht im Inneren, sondern
trägt ihn für jedermann sichtbar
mit - oder besser: auf - sich herum. Es
handelt sich um eine Holztruhe mit
kupfernen Kantenbeschlägen, Ku-
gelfüßen aus Kupfer und einem ge-
wölbten Deckel, die an ihrer Außen-
fläche über und über mit hunderten
von kleinen Gegenständen übersät
ist, die in Glaskitt eingedrückt sind.
Es dürfte um die Wende zum 20.
Jahrhundert gewesen sein, als mög-
licherweise ein Angehöriger einer
Dürkheimer Familie, aus deren Be-
sitz die Truhe stammt, mit viel Fin-
gerspitzengefühl, Geduld und Sinn
für dekorative Gestaltung ein Sam-
melsurium unterschiedlichster Klei-
nigkeiten aus der Zeit um 1820 bis
cirka 1900 auf der Oberfläche der
Truhe verteilte.
Die meisten davon befinden sich
noch immer an Ort und Stelle, und
die meisten der aufgeklebten Artikel
sind Knöpfe, Glasperlen, Gürtel-
schließen, Muscheln und Kieselstei-
ne. Daneben sind aber auch
Schmuckstücke in Form von Bro-
schen, Krawattennadeln, Amulet-
ten, Ohrringen, Uhrenketten und
Armbändern vertreten; ebenso tau-
chen ungefaßte Halbedelsteine und
Straßsteine an manchen Stellen auf.
Neben Modeschmuckstücken, die
aus preisgünstigen Legierungen und
Glassteinen gearbeitt sind, fallen
hier und da sogar einige aus Elfen-
bein und Lavastein geschnittene
Stücke und aus Rotgold gefertigte
Einzelteile ins Auge. Spielgeldmün-
zen und Gedenktaler finden sich au-
ßerdem neben Nägeln, Metallösen,
einem Vorhängeschloß und Schlüs-
seln wieder.
Abgesehen von ebenso vorhande-
nen Souvenirplaketten, die aus wei-
tergelegenen Reisezielen stammen,
stehen andere Erinnerungsstücke
mit Dürkheimer Einrichtungen und
Vereinen in Zusammenhang und
verweisen damit auf den regionalen
Kontext, aus dem die Truhe stammt.
So zeugt eine kufenförmige An-
stecknadel von einem einstmals vor-
handenen Dürkheimer Schlitt-
schuhclub. Eines der optisch auffäl-
ligsten Stücke stellt schließlich ein
in Metall gefaßtes, auf Porzellan ge-
maltes Miniaturporträt eines Kindes
dar, das ganz selbstverständlich
zwischen bunten Glasperlen und
Knöpfen seinen Platz gefunden hat.
Die mit Reisesouvenirs versehene
Truhe hat außerdem selbst eine
abenteuerliche Reise hinter sich ge-
bracht. Mitte der 70er Jahre wurde
sie zusammen mit einigen anderen
Gegenständen aus dem Heimatmu-
seum gestohlen. Bald darauf wurde
sie jedoch in der Nähe des damaligen
Museumsgebäudes aufgefunden und
ins Fundbüro gebracht. Von dort aus
gelangte sie, nachdem sie von dem
damaligen Betreuer der Sammlun-
gen als Eigentum der Museumsge-
sellschaft identifiziert worden war,
wieder in die musealen Sammlungen
zurück und kann dort seither wieder
bewundert werden.
Mit Knöpfen, Nägeln und allerlei Reiseandenken übersät ist dieses Unikat, das ein
Unbekannter mit viel Fingerspitzengefühl gefertigt hat. (Foto: Franck-Holliday)
Rheinpfalz, 13.8.1993