Nur im Ansatz lässt der überlebensgroße Kopf eines jungen Mädchens aus Bronze einen Hals erkennen, sodass er ohne Sockel nahezu mit dem Grund verschmilzt. Die halb geöffneten mandelförmigen Augen treten stark hervor, die Nase ist schmal und bildet eine kerzengerade Linie, die dünnen Lippen sind geschlossen. Durch die kaum sichtbaren Augenbrauen wirkt die bereits überdimensionale Stirn noch dominanter. Den Kopf rahmen zwei Zöpfe, die bis über die Ohren hängen, vielleicht trägt das Mädchen auch ein Kopftuch. Sein Gesichtsausdruck zeugt von Ruhe und Kontemplation. Die stark stilisierte Büste, die keine konkrete Person wiedergibt, entstand in Worpswede. Bereits 1906 hatte Hoetger die dort länger lebende Paula Modersohn-Becker in Paris getroffen und sich von ihrer Kunst beeindruckt gezeigt. Nach ihrem Tod 1907 schuf er einige Arbeiten im Gedenken an sie. 1926/1927 baute er das Paula Modersohn-Becker Museum in Bremen, ein expressionistisches Gebäude mit roter Backsteinfassade, für das er zahlreiche Bauplastiken anfertigte. Zu ihnen gehörte auch ein Exemplar des „Mädchenkopfs“, das auf halber Höhe den Treppenaufgang des Vestibüls ziert und mit seiner Überdimensionalität des Kopfes für eine Anbringung in größerer Höhe in Betracht kam. Um Blickkontakt aufzunehmen, müssen die Betrachter:innen zu ihm heraufschauen. 1954 schenkte die Ehefrau des Künstlers, Helene (Lee) Hoetger, einen Abguss des Kopfes der „Galerie des 20. Jahrhunderts“ in West-Berlin. | Anja Pawel
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