Slevogt hatte Bernhard Dernburg (1865–1937) 1904 schon einmal porträtiert (das Werk heute als Dauerleihgabe im Landesmuseum Mainz). Als Vorstand der Darmstädter Bank für Handel und Industrie konnte es sich Dernburg im kaiserlichen Berlin erlauben, Bilder der Secessionisten zu sammeln und auch in Auftrag zu geben. 1923, zur Entstehungszeit des zweiten Bildnisses, schaute der Dargestellte auf eine bewegte Karriere in der Politik zurück: als umstrittenes Mitglied der Kolonialverwaltung des Auswärtigen Amtes wie ab April 1919 als Reichsfinanzminister, ein Posten, den er nach wenigen Monaten aus Protest gegen den Versailler Vertrag wieder aufgegeben hatte. Doch gehörte Dernburg weiterhin als Abgeordneter der linksliberalen DDP (Deutsche Demokratische Partei), die er mitbegründet hatte, dem Reichstag an und wirkte als Vertreter des deutschen Bankwesens. Das spätere Porträt ist weniger detailreich und repräsentativ als das erste, die Persönlichkeit des alten, skeptischen Politikers jedoch umso eindrücklicher erfasst. Mit pastosem Farbauftrag und kräftigen, sichtbar bleibenden Pinselstrichen skizzierte Slevogt Gesicht und Hand. Der blaue Anzug und der helle Hintergrund sind vergleichsweise dünn lasierend gemalt. Mit stärkerer darstellerischer Freude gab Slevogt einige Jahre später die 68-jährige Emma Dernburg, die Gattin des Politikers, wieder, mit einem Hündchen auf dem Schoß (Dauerleihgabe im Landesmuseum Mainz). Alle drei Bildnisse entstanden für die Familie und blieben lange in deren Besitz. | Angelika Wesenberg
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