1939 modellierte Blumenthal die Büste seines Atelierkollegen, des Malers und Grafikers Herbert Tucholski (1896–1984). Beide waren Mitglieder der Ateliergemeinschaft Klosterstraße, einem Zusammenschluss von circa 40 freischaffenden Berliner Malern und Bildhauern, denen das NS-Kultusministerium seit Herbst 1933 günstige Atelierplätze vermittelte. Die Gemeinschaft war keine homogene Gruppe, vielmehr setzte sie sich aus Künstlern zusammen, deren Schaffen zum Teil im Einklang mit der offiziellen nationalsozialistischen Kunstauffassung stand, während andere aufgrund ihrer künstlerischen Formensprache durchaus in der Kritik standen. Anders als bei seinen Jünglingsfiguren (vgl. B I 651) arbeitete Blumenthal in dem Porträt seines Freundes die individuellen Gesichtszüge heraus. Er schuf damit ein ausdrucksstarkes Bildnis, das von einer intensiven Auseinandersetzung mit dem Gegenüber zeugt. Ein Jahr nach Entstehung der Büste, im Mai 1940, wurde Blumenthal zum Kriegsdienst eingezogen, künstlerisch arbeiten konnte er nur noch während seiner Aufenthalte zu Hause. Zwei Jahre später starb er – mit nur 36 Jahren – bei einem Patrouilleneinsatz an der Ostfront. | Maike Steinkamp
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