Die Radierung „Gedächtniskirche I“ zeigt den Blick auf die Kaiser-Wilhelm-Gedächtnis-Kirche am Breitscheidplatz von der Budapester Straße aus. Sie ist Teil einer 1994 entstandene Serie zu dem Sakralbau. Das Blatt „Gedächtniskirche II“ stellt exakt die gleiche Perspektive in abweichender Ausführung dar. Die Werke verfolgen kein topographisches Interesse, sondern zerlegen das Bauensemble in seine geometrischen Grundformen. Der alte Turm wurde 1957 durch einen modernen Turm von dem Architekten Egon Eiermann ergänzt. Der neue Turm hat einen sechseckigen Grundriss und erbrachte, in Kombination mit dem neuen, achteckigen Gemeinderaum die umgangssprachliche Bezeichnung „Lippenstift und Puderdose“.
Klaus Roenspieß lebte und arbeitete von 1935 bis 2021 in Berlin, sein ganzes Leben. Er studierte etwa ein Jahr lang an der Kunsthochschule Berlin-Weißensee. Als DDR-Bürger hatte er natürlich 28 Jahre lang keine Möglichkeit die Westseite seiner Heimatstadt zu besuchen. Die Begehung des neuen Bauensembles von Egon Eiermann dürfte somit noch immer eine ungewohnte Erfahrung gewesen sein. Obwohl nicht vollkommen vom DDR-Establishment abgewandt, ging Roenspieß stilistisch schon früh seinen eigenen Weg und entging damit der Instrumentalisierung des Staates.
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