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Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg Gemäldesammlung [GK I 5177]
Terwesten, Augustin : Allegorie auf den Erdteil Afrika, 1694, GK I 5177. (Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg CC BY-NC-SA)
Herkunft/Rechte: Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg / Anders, Jörg P. (1970-1999) (CC BY-NC-SA)
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Allegorie auf den Erdteil Afrika

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Beschreibung

Erdteilallegorien waren in der Zeit des 16. bis 18. Jahrhunderts ein beliebtes Thema in der europäischen Kunst. Auch im höfischen Kontext wurden sie innerhalb von Schlossausstattungen als Repräsentationsmedium genutzt, um den Hoheitsanspruch des jeweiligen Herrschers und seine (wenn auch nur angestrebte) Stellung innerhalb der Welt zu verdeutlichen. Die 1694 entstandene „Allegorie auf den Erdteil Afrika“ gehörte einst zur Ausstattung des Berliner Schlosses. Sie ist Teil einer Serie von vier großformatigen Gemälden, die Allegorien der vier damals bekannten Erdteile Europa (GK I 5179), Asien (GK I 5176), Afrika (GK I 5177) und Amerika (GK I 5178) darstellen. Die Erdteile werden jeweils durch weibliche Figuren personifiziert, die sich mit weiteren Figuren, Pflanzen und Tieren sowie typisierenden Accessoires umgeben.

Einer stark wertenden Hierarchisierung der Erdteile in der europäischen Kunst des 16. bis 18. Jahrhunderts folgend, wird dem Kontinent Afrika in der Gemäldefolge Terwestens ein niedriger Rang zuerkannt. So rechnete man damals sowohl Afrika als auch Amerika zu den „unzivilisierten“ Erdteilen, die den „zivilisierten“ Kontinenten Europa und Asien gegenübergestellt wurden. Als „fruchtbarer“ Kontinent, dem jedoch Reichtum und kulturelle Zivilisation abgesprochen wurden, nahm es einen Platz hinter Europa und Asien, allerdings noch vor Amerika ein. So steht auch Terwestens „Allegorie des Erdteils Afrika“ gänzlich in dieser barocken Darstellungstradition. Vor allem seit der Publikation von Cesare Ripas „Iconologia“ im Jahr 1604, die im 17. Jahrhundert auch in deutschen und niederländischen Ausgaben vorlag, hatte sich ein Kanon stereotyper Darstellungsformeln für Erdteilallegorien herausgebildet. In leicht veränderter Form kehrten sie häufig in der europäischen Kunst wieder, so auch in der Gemäldeserie Augustin Terwestens. Die Wiedergabe der Personifikation Afrikas als weibliche Figur in leichter Bekleidung neben einem Löwen stehend, gehörte ebenso dazu, wie die Wiedergabe von Schlangen, Korallen und „exotischen“ Pflanzen und Tieren – wie Elefanten, oder – wie hier im Bild: Elefantenstoßzähnen.

Neben der Hierarchisierung des zivilisatorischen Rangs spielte auch der merkantile Aspekt eine Rolle in der europäischen Erdteilallegorie des Barocks. Hier standen vor allem die Handelsinteressen der Herrscher Europas im Vordergrund. Im Gemälde Terwestens wird dies durch eine männliche Schwarze Figur im Vordergrund verdeutlicht, die ein Bündel von Elefantenstoßzähnen abtransportiert und einen silbernen Reif um den Hals trägt, wie er versklavten afrikanischen Menschen umgelegt wurde. Diese Motive verweisen auf die Rolle Afrikas, die ihm die europäischen Kolonialmächte als „Lieferant“ begehrter Rohstoffe (z.B. Gold, Getreide, Pfeffer, Salz und Elfenbein) und „menschlicher Ware“ (in Form von versklavten Afrikaner:innen) im internationalen Handel zuwies. Selbst besaß Kurbrandenburg keine Kolonien in Afrika, seit 1682 betrieb es jedoch über die neu gegründete brandenburgische Handelsorganisation „Brandenburgisch-Africanische Companie“ von Emden aus Handel mit Afrika. 1683 wurde im heutigen Ghana der brandenburgische Handelsstützpunkt Großfriedrichsburg gegründet, der im Goldhandel eine bedeutende Rolle spielte. Ansonsten wurden Waren wie Elfenbein und Gummi gehandelt. Vor allem beteiligte sich Brandenburg jedoch im Sklavenhandel. Versklavte Menschen wurden meist in innerafrikanischen Kriegen gefangen genommen und von afrikanischen Händlern abgekauft, oft gegen Waren wie Perlen, Muscheln, Eisenbarren, Schießpulver, Gewehre und Alkohol. Die versklavten afrikanischen Menschen wurden anschließend unter menschenunwürdigen Bedingungen und einer hohen Mortalitätsrate auf Schiffen, die unter Brandenburgischer Flagge fuhren, von Afrika nach Amerika verschifft. Dort wurden sie verkauft, um auf amerikanischen Plantagen zu arbeiten.
Auch orderte der Große Kurfürst Friedrich Wilhelm von Brandenburg (1620-1688) in den 1680er Jahren „ein halb Dutzend junge Sklaven von 14, 15 und 16 Jahren, welche schön und wohlgestalt seien“, um sie an den brandenburgischen Hof zu holen. Noch weit bis ins 18. Jahrhundert waren Afrikaner:innen am brandenburgisch-preußischen Hof als Bedienstete tätig. Unter König Friedrich Wilhelm I. (1688-1740) beendete Brandenburg vor allem aus Kostengründen seine Beteiligung im Afrika- und Überseehandel.

Augustin Terwesten (1649-1711), ein aus der Republik der Vereinigten Niederlande stammender Hofmaler des Kurfürsten Friedrich III. von Brandenburg (1657-1713), schuf die Erdteilallegorien höchstwahrscheinlich im Auftrag seines Dienstherrn. Dort befanden sie sich bereits vier Jahre nach ihrer Anfertigung wahrscheinlich in einem der Spree oder dem Schlossplatz zugewandten Teil des Berliner Schlosses. Er war seit 1692 einer der wichtigsten Historienmaler am kurbrandenburgischen Hof und schuf unter anderem zahlreiche bedeutende Deckengemälde für das Berliner Schloss, die im Zweiten Weltkrieg verloren gingen. Auch sein Bruder Matthäus Terwesten war – wenn auch nur kurzzeitig – für den kurbrandenburgischen Hof tätig. Stellvertretend für die 1698 entstandenen (heute zerstörten) Deckengemälde der Brüder Terwesten im Schloss Charlottenburg wird die vier Jahre zuvor entstandene Serie der Erdteilallegorien Augustin Terwestens heute in einem Treppenhaus des ältesten Teils von Schloss Charlottenburg gezeigt. Aufgrund ihrer monumentalen Größe und der in Untersicht gezeigten Darstellungen kann davon ausgegangen werden, dass sie im Berliner Schloss für eine erhöhte Anbringung konzipiert wurden, möglicherweise ebenfalls für ein Treppenhaus.

Dr. Alexandra Nina Bauer (2022)

Material/Technik

Öl auf Leinwand

Maße

ohne Rahmen: Höhe: 295.00 cm Breite: 193.00 cm

Literatur

  • Götter und Helden. Gemälde und Zeichnungen von Augustin und Matthäus Terwesten (1649-1711), (1670-1757), zwei niederländische Künstler am Hofe Friedrichs I. und Sophie Charlottes, hrsg. von der Generaldirektion der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin Brandenburg, Ausstellung, Berlin, Schloß Charlottenburg, 1995 / 1996, Berlin 1995.
  • Hinterkeuser, GuidoDas Berliner Schloss. Die erhaltene Innenausstattung. Gemälde, Skulpturen, dekorative Kunst, hrsg. v. der Gesellschaft Berliner Schloss, Regensburg 2012, S. 62, S. 65, S. 65.
  • Preußen 1701 - eine europäische Geschichtehrsg. v. Deutschen Historischen Museum und der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg, 2 Bde. (Katalog u. Essays), Ausstellung, Berlin 2001, Berlin, 2001. , S. 331-334
  • Schloss Charlottenburghrsg. v. Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg, 9. Aufl., Potsdam 2002 (Amtlicher Führer). , S. 135
Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg

Objekt aus: Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg

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