Zur Werkgruppe "Studien- und Sachfotografie“
Einen großen Teil im fotografischen Schaffen von Gerda Leo nehmen die Studien- und Sachfotografien ein, die immer auch dem "Neuen Sehen“ verhaftet sind. Wohl arrangierte und präzise durchdachte Arrangements sind dabei von gefundenen Themen oder Aufgabenstellungen von ihrem Lehrer in der Fotoklasse an der "Burg“, Hans Finsler (1891–1972), zu unterscheiden. Finsler stellte den Schülern Aufgaben im Sinne von Anregungen: Eine Straße entlanggehen und Menschen mit der Kamera beobachten oder tätige, nach etwas greifende oder arbeitende Hände zu fotografieren. Das damit verbundene Ziel war es, mit offenen Augen durch die Welt zu gehen, beweglich werden im Sehen wie im fotografischen Darstellen des Gesehenen.
Zum Motiv “Weg zur Burg, Halle a/S., am Zeitungskiosk“
Gerda Leos Minireportage "Weg zur Burg“ umfasst drei Fotografien. Sie fußen auf einer Studienaufgabe von Hans Finsler: Das Beobachten von Menschen, vom Straßenleben. Das erfordert beweglich sein im Sehen und schnelles Reagieren – sonst ist das Motiv unter Umständen verändert oder gar aus den Augen. Das ist das Eine. Das Andere ist Gerda Leos Wechsel auf das quadratische Format. 1930 war sie gerade Finslers Assistentin geworden und er riet ihr zum Wechsel zu einer 6x6 Rolleiflex Kamera. Das Quadrat lag ihr sehr.
Der Bildausschnitt in der Fotografie "am Zeitungskiosk“ zeigt exemplarisch Gerda Leos geschulten Blick. Parallel zum rechten Bildrand verläuft die Begrenzung des im Profil abgebildeten Kiosks. Der ältere Mann kauft just in dem Moment seine Zeitung. Hinter ihm steht eine interessierte, mit Mantel und Hut wohl gekleidete Frau. Frau, Mann und Kiosk bilden kompositorisch drei aufragende Linien. Durchbrochen werden diese spannungsreich durch die schräg herabhängende Werbung. Bildausschnitt und Komposition stellen in der gefundenen Szenerie die gestalterischen Elemente par excellence dar.
Schenkung Gerda d'Oliveira-Leo, Amsterdam
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