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Heimatmuseum Sindorf Geschichten, Legenden und wahre Anekdoten [1945_SD_50042]
Anekdote | Arnold Widding | Vom heiligen Antonius | 1945 (Heimatmuseum Sindorf CC BY-NC-SA)
Herkunft/Rechte: Heimatmuseum Sindorf (CC BY-NC-SA)
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Anekdote | Arnold Widding | Vom heiligen Antonius | 1945

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Beschreibung

Anekdote | Arnold Widding | Vom heiligen Antonius | 1945

Im vierten Schuljahr, im Herbst 1945, hatte ich einen Freund, der hieß Edi. Edi war bei den Dorfjungen sehr beliebt. Das lag weniger an seiner Person als am Besitz eines Tennisbällchens, das er kurz nach Kriegsende irgendwo gefunden hatte. Der Tennisball war außen nackt und glatt, denn er hatte im Laufe der Jahre all seine Haare verloren. Aber er war in dieser Zeit eine seltene und begehrte Kostbarkeit. Mit diesem Ball spielten wir nun täglich auf dem verwilderten Sportplatz Fußball auf ein Tor mit zwei Holzpfosten und einem Drahtkasten, der die Bälle auffangen sollte.

An einem Nachmittag, mitten im schönsten Wettkampf, jagte ein Junge mit Namen Boschka mit einem mächtigen Schuss den Ball übers Tor. Das Tennisbällchen flog und flog und landete schließlich in einem dichten Brennnesselfeld vor einem tiefen Wassergraben, der den Sportplatz begrenzte. Der Torwart machte sich also, wie so oft, auf die Suche.

Ich kann den Ball nicht finden, schimpfte er kurz darauf aus den Brennnesseln, die er vorsichtig niedertrat, um sich nicht die nackten Beine an den Nesseln zu verbrennen. Nach und nach halfen alle Jungen bei der Suche mit, aber der kleine nackte Tennisball blieb unauffindbar.

Einer nach dem andern gab schließlich das Suchen auf.

"Es ist schon spät! Wir müssen nach Haus!", entschuldigten sie sich.

Zu guter Letzt war ich mit Edi noch ganz allein mitten in dem Heer der feindlichen Pflanzen, die den Ball nicht hergeben wollten. Edi war ganz verzweifelt und bemüht, ein paar Tränen zu unterdrücken. Welch ein Verlust! Doch dann huschte auf einmal ein Hoffnungsschimmer über sein Gesicht und er ergriff meinen Arm und sagte:
"Weißt du was? Wir beten jetzt zusammen zum heiligen Antonius. Das ist der Heilige, der für die verlorenen Sachen zuständig ist. Meine Mutter betet auch immer zum heiligen Antonius, wenn sie etwas verloren hat oder etwas nicht finden kann. Meistens hilft das."
"Ich bin doch evangelisch", sträubte ich mich gegen diesen Vorschlag. "Wir glauben nicht an so etwas, an deinen Antonius schon gar nicht."
Edi schaute mich enttäuscht aber bittend an und meinte:
"Das spielt beim Beten keine Rolle. Wenn ich sage, der heilige Antonius kann helfen, dann genügt das. Ein Gebet zu zweit ist doppelt stark und dabei ist es egal, ob du evangelisch bist. Los! Du betest jetzt mit, sonst bist du mein Freund nicht mehr!" - "Gut", willigte ich widerstrebend ein, denn ich wollte meinen Freund nicht im Stich lassen. Aber ich betete nur still mit, ich kann nicht katholisch beten.

Edi war erleichtert und so standen wir beide nun da in den Brennnesseln und beteten mit katholisch und evangelisch gefalteten Händen zum heiligen Antonius.

Während ich beharrlich schwieg, sprach Edi mit lauter Stimme:
"Heiliger Antonius, ich bitte dich, hilf uns beim Suchen. Du siehst ja, was passiert ist. Mein schöner, mein einziger Tennisball ist verschwunden. Heiliger Antonius hilf uns! Wenn ich einmal Geld habe, werfe ich auch etwas davon in den Opferstock am Tönnes Häuschen [siehe unten: Anm. d. Red.], das dir geweiht ist. Im Namen des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes. Amen."
Eher lustlos und nur meinem Freund zuliebe beteiligte ich mich an der weiteren Suche. Achtlos und widerwillig schob ich die Brennnesseln rechts und links mit dem Fuß zur Seite. An allem sind diese verdammten Pflanzen schuld. Wütend gab ich einigen von ihnen einen kräftigen Fußtritt.

Doch da, ich traute meinen Augen nicht, entdeckte ich etwas Glattes, Braunes, Rundes, das aus dem Grün hervorglänzte.
"Ich habe den Ball gefunden!", rief ich laut und triumphierend. Edi eilte so schnell er konnte herbei und nahm das Tennisbällchen mit strahlendem Lächeln entgegen.
"Siehst du, der heilige Antonius hat uns geholfen. Sogar dir, einem Evangelischen!", stellte Edi zufrieden fest.
Ich war zunächst sprachlos. Sollte da wirklich etwas dran sein oder war das nur ein Zufall?

Wir machten uns glücklich über den wieder gefundenen Schatz auf den Heimweg.

Beim Abschied raunte ich Edi aber noch zu:
"Aber ich bleibe trotzdem evangelisch!"


Anm. d. Red.: Die beiden Heiligen "Antonius von Padua" und "Antonius der Große"

Antonius von Padua (* um 1195, † 1231) [Heiligenfigur in der Kirche St. Ulrich - siehe Foto]

Sohn einer berühmten Adelsfamilie, wurde als Priester ausgebildet, trat 1220 ins Kloster ein. Mehrere Legenden, hier die bekannteste: Antonius' Patronat für verlorene Sachen gehen zurück auf die Überlieferung, dass ein junger Mönch - des Ordenslebens überdrüssig geworden - das Kloster heimlich verlassen und den Psalter (Buch der Psalmen) des Antonius mitgenommen hatte. Antonius versenkte sich ins Gebet für den jungen Mönch, aber auch für die Wiedererlangung seines Buches. Daraufhin wurde der Abtrünnige von Erscheinungen heimgesucht, so dass er das Buch schleunigst zurückbrachte.


Antonius der Große (* um 250 in Come, vermutlich † 356) [Heiligenfigur im Tönnes Häuschen]

Einsiedler, Mönchsvater, Antonius wurde als Sohn einer reichen christlichen Bauernfamilie geboren. Mit etwa 18 Jahren übernahm er nach dem Tod der Eltern die Verwaltung der Familiengüter und zog seine jüngere Schwester groß.

Die Schweine, mit denen Antonius dargestellt wird, stehen für seine berühmten Versuchungen: So erschien ihm nach der Überlieferung der Teufel in Gestalt einer oder mehrerer schöner Frauen. In anderen Fällen wurde er mit Krallen, Zähnen oder Hörnern verwundet, zu Boden geschlagen und an den Haaren gerissen. Während seine Zelle in Flammen aufging, wurde er schließlich unter bedrohlichen Angriffen von allen Seiten in die Lüfte gehoben.

Tatsächlich hat das Symbol der Schweine seine Begründung darin, dass später der Antoniterorden bevorzugt Schweine hielt, die Antonius als Gottes Geschöpfe aber frei laufen ließ. In vielen Dörfern wurde später ein Antoniusschwein gehalten, die überall in Freiheit herumlaufen durften, von allen gefüttert werden mussten, worauf der Ausspruch „frech wie ein Antoniusschwein“ zurückgeht. Am 17. Januar wurde das Schwein dann geschlachtet und das Fleisch an die Armen und Bedürftigen verteilt.

Man betete Antonius den Große auch für das Gedeihen des Viehs an, besonders für die Schweine, dass sie von der Schweinepest bewahrt bleiben.

Material/Technik

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