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Heimatmuseum Sindorf Geschichten, Legenden und wahre Anekdoten Christus-Kirche [1953_SB_52279]
Anekdote | Arnold Widding | Das Kreuz mit dem Kreuz | 1953 (Heimatmuseum Sindorf CC BY-NC-SA)
Herkunft/Rechte: Heimatmuseum Sindorf (CC BY-NC-SA)
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Anekdote | Arnold Widding | Das Kreuz mit dem Kreuz | 1953

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Beschreibung

Anekdote | Arnold Widding | Das Kreuz mit dem Kreuz | 1953

Eine wahre Anekdote nach Fertigstellung des Rohbaus der evangelischen Christus-Kirche in Sindorf im Jahr 1953.

Das Kreuz mit dem Kreuz

Endlich war der Rohbau der evangelischen Kirche in Sindorf fertig. Ein besonderes Ereignis: Die evangelische Gemeinde war ursprünglich von 5 Familien durch Zuzug der Flüchtlinge aus dem Osten in den Jahren 1946 - 1952 auf nahezu 200 Mitglieder angewachsen. Der Gottesdienst fand seit einigen Jahren nach Absprache der Kirchenleitungen in der katholischen Kirche statt, eigentlich gegen den Willen des dortigen katholischen Pastors, der allerdings versuchte, gute Miene zum nach seiner Meinung bösen Spiel zu machen.

Jedenfalls sollte dieser Zustand für alle Seiten bald schon ein gutes Ende finden. Einer der Presbyter der evangelischen Kirche bereitete mit seinem Freund und Arbeitskollegen, einem Schmied, heimlich eine Überraschung vor. Nach Feierabend werkelten sie in der Schmiede, von wo aus dann immer wieder Hammerschläge vom Amboss her durch das sonst um diese Zeit verlassene Werksgelände schallten. Was trieben die beiden Männer da in der Schmiede?

Sie schmiedeten ein Geschenk für die Gemeinde, ein großes etwa ein Meter hohes eisernes Kreuz, das den Turm der neuen Kirche zieren sollte. Es wurde ein gewichtiges Kreuz, ein stabiles Kreuz aus Volleisen, das für die Ewigkeit halten sollte. Endlich, als es nach etlichen Tagen fertig geschmiedet war, stellten sie es vor den Amboss, betrachteten das Kreuz mit Genugtuung von allen Seiten und sahen, dass es gut war.

"Wir werden es jetzt noch mit einer wetterfesten Farbe schwarz streichen", schlug der Schmied vor. Aus einem Nebenraum holte er einen Farbtopf, einen Pinsel und machte sich damit sogleich an die Arbeit. "Das trifft sich gut, dass wir das Kreuz jetzt fertig haben. Übermorgen kommt der Zimmermann, um die Dachsparren anzulegen. Da kann er das Kreuz gleich mit befestigen", schlug der Presbyter vor.

"Gut, dann bringen wir es morgen Abend zu dir nach Hause, du wohnst ja gleich neben der Baustelle." Gesagt, getan! Die Zimmerleute montierten wie abgesprochen den Dachstuhl, und auf Geheiß des Presbyters befestigten sie das Kreuz an den Dachsparren hoch oben auf dem Turm. Am Abend nach getaner Arbeit waren alle zufrieden und besonders der Arbeitskollege des Schmieds, der Presbyter, blickte immer wieder mit Genugtuung aus dem Küchenfenster zu dem gegenüberliegenden Kirchturm, dessen Dach in wenigen Tagen gedeckt werden sollte. Das Kreuz, weithin sichtbar, sollte nun zeigen, dass die Gemeinde zur Ausübung ihres Glaubens einen festen Standort in Sindorf hatte.

Am nächsten Tag, nach der Frühschicht machten sich der Presbyter und der Schmied gleich auf den Weg nach Hause, begierig zu wissen, wie wohl das Kreuz auf dem nunmehr fertig gedeckten Dach aussehen würde. Aber welch eine Enttäuschung! Als sie vor der Kirche standen, war das Kreuz vom Turm verschwunden, nur die schwarzbraunen Dachpfannen waren sauber verlegt.
Im hinteren Bereich des Kirchendaches waren die Dachdecker noch bei der Arbeit. "Wo ist das Kreuz geblieben?", rief der Presbyter, seinen Zorn kaum verbergend, zu den Männern hinauf, die leicht verlegen einen Augenblick mit der Arbeit innehielten.

"Der Architekt war da und hat lauthals geschimpft. Er war außer sich vor Zorn und schrie uns an, er wisse nichts von einem Kreuz auf dem Turm. Auf seinen Befehl haben wir es wieder gelöst und heruntergeworfen." - "Und wo ist das Kreuz jetzt?", wollte der Schmied wissen. "Jetzt liegt es dahinten neben dem Kirchturm im Dreck!", rief daraufhin einer der Dachdecker höhnisch lachend zu den beiden hinunter.

Die Dachdecker hatten nun weiter nichts mehr mit der Sache zu tun und fuhren gleichmütig und offensichtlich belustigt mit ihrer Arbeit fort. Der Schmied und sein Freund, der Presbyter, fanden das Kreuz achtlos hingeworfen auf einem Schuttberg hinter dem Kirchturm. Es hatte den Sturz von ganz oben allerdings ohne Schaden überstanden, denn es war ja ein Kreuz aus Volleisen. Die beiden Männer gerieten beim Anblick dieser Freveltat in unbändigen Zorn. Sie nahmen das Kreuz, trugen es gemeinsam auf den Hof des Presbyters, stellten es dort ab und überlegten, was nun zu tun sei.

Schließlich gingen sie ins Haus, setzten sich an den Küchentisch und der Presbyter holte Tinte, Papier und einen Federhalter. "Jetzt werden wir dem Herrn Architekten einen geharnischten Brief schreiben. So kann er mit uns nicht umgehen. Unser Kreuz ist eine Spende für die Gemeinde. Was sollen wir schreiben?" - "Schreib du", schlug der Schmied vor. "Mit meinen Arbeitshänden habe ich Mühe mit dem Schreiben, und es soll ja ordentlich aussehen." So entwarfen die beiden einen bösen Brief an den Architekten, den sie am nächsten Tag bereits in den Briefkasten steckten. Der letzte Satz in dem Brief lautete: "Das Kreuz kommt sofort zurück auf den Kirchturm!"

Wenige Tage später nach dem sonntäglichen Gottesdienst in der katholischen Gastkirche rief der Pastor den Presbyter zu sich.
"Wir müssen dringend etwas miteinander besprechen. Der Architekt Kronen ist außer sich über den bitterbösen Brief, den Sie ihm geschrieben haben, vor allem aber über die auf dem Briefkuvert deutlich sichtbare Beleidigung in der Anschrift. »Arschitekt« haben Sie geschrieben, Arschitekt mit einem s vor dem ch. Ich habe Mühe, den Mann von einer Anzeige wegen Beleidigung zurückzuhalten." - "Wieso ist das eine Beleidigung? Der Herr Kronen ist doch Arschitekt." - "Ja, aber das schreibt man doch nicht mit s-c-h", entrüstete sich der Pastor vorwurfsvoll.

"Das haben mein Freund und ich nicht gewusst", entgegnete der Presbyter mit treuherziger Unschuldsmiene. "Wenn aber das Kreuz nicht zurück auf den Kirchturm kommt, lege ich mein Presbyteramt nieder, und Sie haben mich heute zum letzten Mal in Ihrem Gottesdienst gesehen." - "Ich werde mit Herrn Kronen noch einmal reden", suchte der Pastor zu beschwichtigen. Tatsächlich gelang ihm ein Kompromiss: Die Anschrift Arschitekt wurde zu einem verzeihlichen Rechtschreibfehler erklärt, und das eiserne Kreuz durfte nun zwar nicht auf dem Turm, aber dafür auf den First des hinteren Kirchendaches montiert werden. Von da grüßt es noch heute die Kirchenbesucher und mahnt zu brüderlicher Versöhnlichkeit.

[Quelle: Wahre Tatsachen | Anekdoten, Arnold Widding]

Anm. d. Red.: Die Namen der Personen wurden zu ihrem Schutz teilweise vom Autor geändert.

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