Die berühmte Figurengruppe ist eine der expressivsten und in ihrer Reduktion auf die wesentlichen Motive radikalsten Versionen eines im 15. Jahrhundert weit verbreiteten, in seiner Intention und Funktion jedoch weitgehend rätselhaften Bildtypus. Dargestellt sind drei Trauernde, wobei die zusammensinkende und von ihren beiden Begleiterinnen gestützte Muttergottes physisch und inhaltlich im Vordergrund steht. Es fehlt die stets mitdargestellte und bei plastischen Gruppen des Themas meist aus einem Block mit geschnitzte oder zumindest fest angesetzte Figur des Johannes, des Lieblingsjüngers Jesu, der Maria während der Passion ihres Sohns beistand. Die in drei mimischen Varianten gezeigte, sich in Haltung und zahlreichen Faltenmotiven ausdrückende Trauer bezieht sich auf den Kreuzestod Christi, dessen unmittelbare Zeuginnen die drei Frauen sind. Die dramatische Verfassung Marias legt nahe, dass die Gruppe unter dem Kreuz gestanden und nicht der Szene der Kreuztragung beigewohnt haben, wofür es im frühen 15. Jahrhundert in Schwaben ähnlich großformatige Beispiele gibt.So unklar die ursprüngliche Aufstellung der Gruppe ist, so sicher ist die stilistische Einordnung in die oberschwäbische Skulpturenlandschaft südlich von Ulm. Die wahrscheinliche Herkunft aus Biberach legt ihre Entstehung in der Freien Reichsstadt nahe, deren Infrastruktur in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts die Ansiedlung einer Bildschnitzerwerkstatt ermöglichte.
Bereits lange vor dem Ankauf der Gruppe hatte man durch Überschnitzen tiefgreifende formale Veränderungen vorgenommen, die bisher von der Kunstgeschichte kaum beachtet wurden. Von den Veränderungen sind vor allem die Kopftücher und Risen der beiden seitlichen Frauen betroffen, die in Haare und Dekolletés umgearbeitet wurden. Die kürzeren Haare der rechten Figur sollten diese als Johannes kenntlich machen. Zusätzlich erhielt das Gesicht Einschnitte in den Mundwinkeln, die den Zügen aber keinen männlicheren Ausdruck verleihen. In der Oberflächenbearbeitung weichen die später überschnitzten Partien deutlich von der originalen Schnitzerei ab. Es scheint sich um das Erzeugnis eines künstlerisch und handwerklich ungeübten Laien zu handeln, der nicht in der Lage war bzw. nicht beabsichtigte, eine dem Original adäquate Handschrift zu entwickeln und umzusetzen. Das verdeutlichen besonders die auf einfache Formen reduzierten Haare oder die ungeschickt wirkende Oberflächengestaltung der Halsbereiche. Eine zeitliche Einordnung der Umgestaltung ist aufgrund fehlender stilistischer Kriterien kaum möglich.
(Auszug aus: Tobias Kunz, Bildwerke nördlich der Alpen und im Alpenraum 1380 bis 1440. Kritischer Bestandskatalog der Berliner Skulpturensammlung, Petersberg, Michael Imhof Verlag 2019)
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