Die Monumentalfigur eines Apostels, dessen zuvor geneigte Kopfhaltung korrigiert wurde, steht im Profil auf der Kante eines Sockels. Sie ist, wie der Schattenwurf andeutet, einer Wand oder auch einer Nische zugewendet, deren Umriß mit Bleistift aber wohl erst später eingezeichnet wurde. Das Licht, durch den groben und fleckigen Auftrag mit Deckweiß besonders hervorgehoben, fällt steil von oben links ein und trifft auf die Hinterkopf-, Nacken- und Schulterpartie sowie auf Teile des zu dicken Falten gebauschten Mantels. Es entsteht ein Chiaroscuro-Effekt, der die Darstellung mit einer Gruppe von ähnlichen Apostelfiguren verbindet, von denen sich drei weitere in Berlin befinden (KdZ 421-423).
Die Haltung der mächtigen Gestalt ist schon in Szenen des Pavimento im Sieneser Dom von 1531 vorgebildet, stilistisch aber steht die Zeichnung den Evangelisten im Chor des Domes von Pisa näher, die Beccafumi 1538 malte. Zwei in Format und Wirkung vergleichbare Bozzetti hierzu befinden sich im Metropolitan Museum, New York [...]. Ab etwa derselben Zeit schuf Beccafumi bis in die späteren 1540er Jahre zwei Serien von Radierungen bzw. Clairobscur-Holzschnitten mit jeweils einzelnen Apostelfiguren [...]. Die vier Berliner Blätter, die mit Ausnahme des hier ausgewählten Stücks zur Übertragung durchgegriffelt sind, gehören zu den Vorarbeiten für dieses graphische Werk.
Text: Hein-Th. Schulze Altcappenberg in: Das Berliner Kupferstichkabinett. Ein Handbuch zur Sammlung, hg. von Alexander Dückers, 2. Auflage, Berlin 1994, S. 262-263, Kat. V.22 (mit weiterer Literatur)
Entstehungsort stilistisch: Siena
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