Das Kopfaquamanile zählt zu der seit dem 12. Jahrhundert in Westeuropa weit verbreiteten Gattung figürlicher Gießgefäße aus Bronze. Neben den profanen Gebrauch solcher Aquamanilien (lat. aqua – Wasser, manus – Hand) trat im christlichen Bereich bereits früh die Verwendung als liturgisches Gerät bei den Handwaschungen des Priesters während der Messfeier. Zum Beispiel stiftete Bischof Werner von Steußlingen seinem Münsteraner Dom zu diesem Zweck 1137 ein „Krüglein, geformt in der Art eines menschlichen Kopfes“ (urceolum in modum capitis humani formatum). Für das 1914 in das Berliner Kunstgewerbemuseum gelangte Kopfaquamanile bezeugt seine Herkunft aus der Dorfkirche zu Riethnordhausen am Kyffhäuser ebenfalls einen wohl schon ursprünglich intendierten sakralen Gebrauch.
Das Berliner Gießgefäß ist von eher bescheidener künstlerischer Qualität. Ein runder, sockelartiger Unterbau auf drei schlichten Füßen trägt einen männlichen Kopf mit gedrungenem Hals, an dessen Stirn das vorn abgeschrägte Ausgussrohr sitzt. Im Scheitel befindet sich die rechteckige Eingussöffnung, die ursprünglich einen Klappverschluss besaß. Zwischen dem seitlichen Rand des Unterbaus und dem Hinterkopf spannt sich der Griff in Gestalt eines schlanken Drachen, dessen Schwanz in einem Blattornament endet. Das schmale, am Kinn spitz zulaufende Gesicht ist wenig organisch gebildet: Eine gerade, seitlich indifferent in die markante Wangenpartie übergehende Nase und übergroße, stark hervortretende mandelförmige Augen unter weit geschwungenen Orbitalen prägen das Antlitz, während der Mund und die Ohren plastisch nur schwach ausgebildet erscheinen. Knopfartige Buckel, bei denen es sich um äußerst reduzierte Darstellungen von Locken handelt, umkränzen den Kopf. Das übrige Haupthaar erscheint kappenartig flach aufgelegt und ist ebenso wie Bart und Wimpern nur durch flüchtige Ritzungen strukturiert. Über der Stirn verläuft eine Binde, die vor den Ohren unmotiviert endet. Sie zeigt das gleiche unregelmäßige Zickzackmuster wie der schmale Kragen mit V-förmigem Ausschnitt am Halsansatz. Auch den Unterbau des Gefäßes ziert dieses charakteristische Ornament, hier ist es jedoch mit parallelen Doppelstrichen ausgeführt.
Mit Sicherheit in der gleichen Werkstatt wie das Gießgefäß aus Riethnordhausen wurde ein ganz ähnlich gebildetes, aber in manchen Details feiner ausgearbeitetes und etwas größeres Kopfaquamanile im Brukenthal-Museum zu Hermannstadt (Sibiu) gefertigt, das 1879 in der Nähe des Dorfes Schellenberg als Bodenfund zutage kam. Es wird vermutet, dass dieses Werk zu Beginn des 13. Jahrhunderts durch sächsische Siedler nach Siebenbürgen gelangt ist, doch kann man auch einen Handelsversand dorthin nicht ausschließen.
Das Kopfaquamanile aus Riethnordhausen wurde mit der Magdeburger Gusswerkstatt aus der die Bronzegrabplatte des Erzbischofs Friedrich von Wettin († 1152) im Magdeburger Dom und die um 1152/56 entstandene, ursprünglich für den Dom zu Płock an der Weichsel bestimmte, Bronzetür des Gießers Riquin am Westportal der Sophien-Kathedrale zu Nowgorod stammen, in Verbindung gebracht. Diese Zuschreibung ist auch von der jüngeren kunsthistorischen Forschung allgemein als wohlbegründet akzeptiert worden. Sie beruht vor allem auf der offenkundigen Ähnlichkeit mit dem Kopftypus der Figuren der Nowgoroder Tür, welcher am Berliner Gießgefäß zwar in starker formaler Reduktion, aber doch mit allen signifikanten Merkmalen auftritt. Auch die markanten geometrischen Ornamente in Rauten- oder Zickzackform verbinden beide Werke. LL
Entstehungsort stilistisch: Magdeburg
Historischer Standort: Riethnordhausen (Gemeinde Wallhausen, Landkreis Mansfeld-Südharz, Sachsen-Anhalt), Dorfkirche
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