Auf der Stele ist eine weibliche Person mit zum Gebet erhobenen Armen (Orantin) unter einer von einer Muschel bekrönten Nischenarchitektur dargestellt. Sie trägt eine Tunika und eine paenula, einen ponchoartigen Mantel, der den Oberkörper bedeckt und dessen Zipfel im Rücken bis in Höhe der Hüfte herabfallen. Den Kopf umgibt ein üppiger Kranz. Er gehört zu einem weiteren Mantel, welcher bis zum Saum der Tunika reicht. Solche mit Textilkränzen bzw. -wülsten ausgestatteten Manteltücher sind Bestandteil der zeittypischen Frauentracht und z. B. in Frauengräbern der Friedhöfe von Antinoopolis gefunden worden.
Zu Seiten der Betenden stehen zwei deutlich kleinere Gestalten vor wuchtigen Pfeilern mit Blattkapitellen. Auch sie tragen Tunika und Manteltuch und halten jeweils in der zur Stelenmitte herabhängenden Hand einen kleinen Koffer bzw. eine Tasche an einem Griff, in der erhobenen anderen Hand ein längliches, nicht näher bestimmbares Gerät, welches nur bei der linken Person erhalten ist. Mit den beiden Dargestellten könnte das heilige Ärztezwillingspaar Kosmas und Damian gemeint sein, die nach der Legende in der Regierungszeit des Kaisers Diokletian (reg. 284-305) das Martyrium erlitten. Vor allem in frühchristlich-byzantinischer Zeit werden sie oft mit Ärztetaschen und medizinischen Instrumenten (um ein solches könnte es sich bei dem länglichen Gegenstand in der Hand der linken Person handeln) abgebildet, wie zum Beispiel auf einer Wandmalerei aus einer Villa in der Nähe von Wadi Sarga (Mittelägypten), sie sich heute im British Museum in London befindet (Inv. Nr. EA73139).
Im koptischen Museum in Kairo gibt es ein im Stil sehr ähnliches Relief, welches ebenfalls zwei Gestalten mit Koffern, diesmal nebeneinander und mit Heiligenscheinen, zeigt. Eine weitere Person mit geneigtem Kopf und vorgestreckten Händen kommt von links auf sie zu (Koptisches Museum, Inv. Nr. 8705).
Grabstelen mit Oranten sind typisch für die Gegend des Faijum. Auch scheinen die Heiligen Kosmas und Damian in dieser Region besonders verehrt worden zu sein, weshalb eine dahin gehende Deutung der beiden Nebenfiguren möglich ist. Dass man Verstorbene im Schutz von Heiligen, die sie zu Lebzeiten besonders verehrten, oder Lokalheiligen abbildete, war durchaus üblich.
Cäcilia Fluck (2017)
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