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Gemäldegalerie Malerei Tafelmalerei [1216A]
https://id.smb.museum/digital-asset/4009887 (Gemäldegalerie, Staatliche Museen zu Berlin CC BY-NC-SA)
Herkunft/Rechte: Gemäldegalerie, Staatliche Museen zu Berlin / Christoph Schmidt (CC BY-NC-SA)
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Kreuzigungsretabel aus Soest (Crucifixion retable from Soest)

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Beschreibung

In der Wiesenkirche in Soest in Westfalen wurden 1862 zwei Altaraufsätze des 13. Jahrhunderts entdeckt, die zu den Inkunabeln der deutschen Tafelmalerei zählen. Beide Tafeln sind älter als die Wiesenkirche. Sie müssen daher aus einem Vorgängerbau oder aus einer anderen Kirche dahin übertragen worden sein. Die ältere der beiden Tafeln, eines der frühesten Altarretabel Deutschlands überhaupt, ist etwa um 1240 gemalt worden. Die jüngere ist wohl zwanzig Jahre später entstanden. Das frühere Werk ist eine breitrechteckige Tafel mit drei Bildfeldern. Das Bildprogramm behandelt die Bedeutung des Opfers Christi. Die Darstellung des Kreuzes mit dem übergroßen Leib Christi beherrscht die Mitte. Nur wenige Personen wohnen dem Ereignis bei. Links, auf der guten Seite, wohin Christus sein Haupt neigt, steht Maria mit den frommen Frauen und Johannes. Auf der rechten Seite, von der Christus sich abwendet, steht der römische Hauptmann mit seinen Soldaten und Zuschauer. Darüber, auf einer Art Brüstung, gleichsam auf einer höheren Ebene, erscheint links ein Engel mit der Ecclesia, der Verkörperung der christlichen Kirche. Mit einem Kelch fängt diese das Blut aus der Seitenwunde Christi auf und empfängt so Sakrament und Gnadenmittel der Kirche. Auf der gegenüberliegenden Seite rechts vertreibt ein Engel die Synagoge, die Personifikation des Alten Testaments, des Alten Bundes und des Judentums. Die Synagoge verliert ihre Krone zum Zeichen des Verlustes ihrer Herrschaft. Über dem Querbalken des Kreuzes öffnet sich eine weitere Sphäre, in der die Chöre der Engel schweben. Im linken Bildfeld wird Christus gefesselt vor die Hohepriester zum Verhör geführt. Kaiphas, der mit einem anderen Priester an einem Tisch sitzt, fragt ihn: »Wie lange willst Du uns noch hinhalten? Bist Du Christus, so sag es uns öffentlich. « Im Hintergrund, nur zeichenhaft angedeutet, erscheinen die Mauern und Zinnen der Stadt Jerusalem. Das rechte Bildfeld zeigt Maria und ihre Begleiterinnen vor der Grabeshöhle, in der nur das Grablinnen zurückblieb. Ein Engel sitzt auf einem altarartigen Stein und weist mit großer Gebärde auf das leere Grab. Das bedeutet, Christus ist nicht mehr hier, er ist auferstanden. Rechts unten schlafen die römischen Grabwächter. Das Programm wird mit dem Verhör Christi vor dem Hohepriester Kaiphas eröffnet. Christus steht von den Seinen verlassen vor seinen Anklägern. Diese Szene ist wohl als Beginn der Passion aufzufassen. Der Kruzifixus in der mittleren Darstellung ist eingefasst von Ecclesia und Synagoge. Sieg und Aufstieg der einen und Niederlage und Abstieg der anderen bezeichnet die Bedeutung dieses heilsgeschichtlichen Ereignisses. In den Ecken der Bildfelder sind Halbfiguren von Propheten mit Schriftbändern angeordnet. Die Textstellen beziehen sich auf das Erscheinen des Messias, das mit Leben und Tod Christi erfüllt wurde. In den Propheten wie in Ecclesia und Synagoge wird so die Übereinstimmung des Alten und des Neuen Testaments sichtbar und die Fortdauer des Bundes mit Gott bestätigt. Die Schrift ist erfüllt worden. Die Szene vor dem leeren Grab bezeugt die Auferstehung Christi von den Toten und macht die christliche Verheißung von der Überwindung des Todes anschaulich. Die einzelnen Darstellungen und ihre Elemente bilden zusammen ein sinnvolles Ganzes, das den Opfertod als zentrales Ereignis der Heilsgeschichte hervorhebt, das in der Messe am Altar immer wieder vergegenwärtigt wird. Die äußere Form des Retabels erinnert in manchen Zügen noch an den Ursprung solcher Altarmalereien. Im hohen Mittelalter war es üblich, die zu einem Altar gehörigen Reliquien von Heiligen in Schreinen auf der Altarmensa zur Schau zu stellen. Diese waren nicht selten von Gold und Silber, verziert mit edlen Steinen, Perlen und Emaillemalerei. Die frühen Retabel, die sie anscheinend ersetzten, übernahmen daher auch in Gestalt und Erscheinungsbild Elemente solcher Reliquienschreine. Der mehrfach geschweifte obere Umriss unseres Retabels ist vielleicht darauf zurückzuführen. Die Tafel und die Bildfelder sind von reliefierten Ornamentstreifen eingefasst, die von Werken der Goldschmiedekunst abzuleiten sind. Auch die Muldenform der runden Bildfelder, die den Glanz des Goldes besonders zur Geltung bringt, ist wohl von Goldschmiedearbeiten abhängig. Die Imitation fremder Techniken deutet darauf hin, dass wir es noch mit einem Beispiel aus der Frühzeit der Gattung Altarmalerei zu tun haben. Stilistisch weist die Malerei Merkmale eines Übergangs auf. Manche Figuren tragen noch Gewanddraperien, wo Gegenstände oder Glieder mit parallelen Falten in Ovalen und Kreisen umschrieben werden. Diese an die ältere Entwicklung anschließenden Formen sind kurvig, weich und fließend. Andere, moderneren Prinzipien folgende Gewandbildungen zeigen kantige, kristalline, in splittrigen Brüchen aufgefächerte Formen, die aus der byzantinischen Tradition in die Malerei des 13. Jahrhunderts einflossen. Man nennt diese Formbildungen anschaulich Zackenstil. Unsere Tafel steht noch am Beginn dieser Stilphase. Die zweite, jüngere Tafel mit einer Darstellung der Heiligen Dreifaltigkeit – Gottvater, Sohn und Heiliger Geist – in Form eines Gnadenstuhls in der Mitte und Maria und Johannes, dem Evangelisten, als Fürbitter an den Seiten zeigt den Zackenstil in seiner reifsten Ausbildung. Alle Formen sind in eckige, spitze, kantige und scharfe Gebilde aufgelöst, die sich gegenseitig bedrängen und stoßen. Sie vermitteln den Eindruck von heftiger innererBewegung und großer Energie. Diese weitgehend abstrakte Übersteigerung der Stilelemente bezeichnet wohl eine Phase kurz vor dem Ende dieser Erscheinung um 1265/70.| 200 Meisterwerke der europäischen Malerei - Gemäldegalerie Berlin, 2019 :::::::::: In 1862, two 13th-century altarpieces that count among the incunabula of German panel painting were discovered in the Wiesenkirche in Soest in Westphalia. Both panels are older than the Wiesenkirche itself and hence must have been transferred from a previous church building or from another church. The earlier of the two panels, one of the oldest altarpieces in Germany, was painted around 1240. The other one was probably created 20 years later (fig left). The earlier work is a broad rectangular panel with three pictorial fields. Its iconography is devoted to the theme of Christ’s sacrifice. The cross with the over-dimensioned Corpus dominates the centre of the panel. Only a few people are attending the crucifixion. Mary with the pious women and John stand on the left, the good side, towards which Christ is inclining his head. On the right, the side from which Christ is turning away, stands the Roman centurion with his soldiers and several onlookers. Above this scene, on a kind of parapet and as if at a higher level, an angel appears on the left with Ecclesia, the embodiment of the Christian Church. Ecclesia is catching the blood from the wound in Christ’s side in a chalice and is thus receiving the holy sacrament and means of grace. Opposite her on the right, an angel is driving away Synagogue, the personification of the Old Testament, the Old Covenant and Judaism. Synagogue is losing her crown, symbolising her loss of power. At the top, above the crossbar, choirs of angels can be seen floating in a still higher sphere. The left pictorial field shows Christ, bound, being led to the high priests for interrogation. Caiaphas, who is sitting at a table with another priest, asks him: “How long are you going to keep us waiting? If you are Christ, then tell us so publicly.” In the background, the schematic outlines of the walls and towers of the City of Jerusalem can be seen. The right pictorial field shows Mary accompanied by women standing in front of the sepulchral cave where only Christ’s shroud remains. An angel is sitting on an altar-like stone gesturing towards the empty grave. Christ is no longer there, for he has risen. At bottom right, the Romans guarding the grave are asleep. The iconography begins with the interrogation of Christ before the high priest Caiaphas. Christ stands before his accusers abandoned by those close to him. This scene should probably be interpreted as the beginning of the Passion. The crucifix in the centre is framed by Ecclesia and Synagogue. The meaning of the crucifixion in Salvation History is signified by the victory and rise of the one and the defeat and fall of the other. Half-length portraits of prophets with text scrolls are arranged in the corners of the pictorial fields. Their texts tell of the coming of the Messiah, a prophecy fulfilled by the life and death of Christ. The depictions of the prophets, like those of Ecclesia and Synagogue, illustrate the accordance between the Old and New Testaments and confirm the continuing covenant with God. The prophecy has been fulfilled. The scene before the empty grave attests to the resurrection of Christ from the dead and is a visual illustration of the Christian promise of overcoming death. Taken together, each of the depictions and their composite elements form a meaningful whole that highlights Christ’s sacrifice as a central event in the story of redemption repeatedly recalled during mass at the altar. The outer form of the altarpiece in some ways recalls the origins of this type of altar painting. In the High Middle Ages it was usual to display the relics of saints belonging to an altar in shrines on the altar mensa. Often these were made of gold and silver decorated with precious stones, pearls and enamel painting. In terms of shape and appearance, the early altarpieces that apparently replaced them adopted certain elements of such relic shrines. This may explain the undulating shape of the top of the present altar. The relief ornamental bands framing the panel and the pictorial fields were inspired by goldsmith’s work. The same applies to the recessed shape of the round pictorial fields, which accentuates the gold sheen particularly well. The imitation of other media and techniques suggests that this is still an early example of painted altarpieces. In terms of style, the painting suggests a period of transition. Some of the figures are still wearing draped apparel, where objects and limbs are outlined in ovals and circles with parallel folds. These curvaceous, soft, flowing forms carry on an older tradition. By contrast, the depiction of other garments follows more modern principles, using angular, crystalline forms that splinter into fragments. Originating in the Byzantine tradition and influenced by the painting of the 13th century, these formations are described rather graphically as Zackenstil or jagged style. The present panel was painted when this style was still in its infancy. The second, later panel, showing the Holy Trinity – God the Father, the Son and the Holy Spirit – in the form of the Throne of Mercy in the centre with Mary and John the Evangelist as intercessors at the sides, is a prime example of the Zackenstil. All the forms dissolve into angular, pointed, jagged and sharp entities, which crowd into one another. They convey an impression of intense inner movement and a great deal of energy. This largely abstract heightening of the stylistic elements was probably characteristic of a phase shortly before this phenomenon came to an end around 1265/70.| 200 Masterpieces of European Painting - Gemäldegalerie Berlin, 2019

Material/Technik

Pergament, Eichenholz

Maße

Bildmaß: 86 x 195,5 cm, Bildmaß (Höhe x Breite): 86 x 195.5 cm, Rahmenaußenmaß: 89 x 194 cm, Rahmenaußenmaß (Höhe x Breite): 89 x 194 cm

Gemäldegalerie

Objekt aus: Gemäldegalerie

Die Gemäldegalerie besitzt eine der weltweit bedeutendsten Sammlungen europäischer Malerei des 13. bis zum 18. Jahrhunderts. Die Bestände umfassen...

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