Im Jahre 1770 ließ König Friedrich II. ein Bildnis von seiner jüngeren Schwester Philippine Charlotte anfertigen, die durch ihre Heirat zur Herzogin von Braunschweig-Wolfenbüttel avanciert war. Dazu beauftragte er die von seiner Schwester bevorzugte Porträtistin, Barbara Rosina de Gasc, die ihre Ausbildung beim Vater, dem preußischen Hofmaler Georg Lisiewski, genossen hatte. Seit 1764 lebte die Malerin mit ihrem zweiten Mann allerdings in Braunschweig und wurde dort auf Veranlassung der Herzogin 1777 zur Hofmalerin berufen.
Friedrich und Philippine Charlotte teilten ein reges Interesse für Literatur, Kunst und Wissenschaft. Letztere widmete sich unter anderem der Förderung deutscher Literaten wie Johann Christoph Gottsched, dessen Frau nach einem Treffen mit der Herzogin deren „trefflichen Verstand und weitläufige Belesenheit“ rühmte. Von dieser Belesenheit zeugt auch das vorliegende Porträt, das nach seiner Fertigstellung im Neuen Palais in Potsdam aufgehängt wurde und dort auch heute noch zu sehen ist. Die 54jährige Herzogin ist in Begleitung ihres Schoßhundes dargestellt, dessen Halsband ihre Initialen trägt. Die stoffliche Wiedergabe des pelzbesetzten Gewandes, der feinen Spitze von Unterkleid, Kragen und Haube verrät ebenso wie die feingezeichneten Gesichtszüge und die detailliert erfasste Interieurausstattung die geschickte Hand der Malerin. Auffällig ist auch das als Potpourri dienende Porzellangefäß, das sich durch seine feuervergoldete, mit Porzellanblüten verzierte Bronzefassung harmonisch dem Dekor des Raumes einfügt. Bezeichnende Attribute der Herzogin sind jedoch die auf dem Tisch vor ihr liegenden Bücher, die auf ihre Gelehrsamkeit verweisen. Diese spiegelt auch die umfangreiche Büchersammlung Philippine Charlottes wider, die nach ihrem Tode der Herzog August Bibliothek in Wolfenbüttel eingegliedert wurde und ungefähr 4.000 Bände umfasst. Obwohl darunter auch einige deutsche Schriften von Gotthold Ephraim Lessing sind, der im Entstehungsjahr des Porträts als Bibliothekar nach Wolfenbüttel berufen wurde, handelt es sich vorzugsweise um französischsprachige Werke, was die Bedeutung der Sprache für die höfische Gesellschaft und die literarische Produktion des 18. Jahrhunderts insgesamt veranschaulicht.
Jessica Korschanowski
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