Im März 1919 wurde Kollwitz das erste weibliche Mitglied der Berliner Akademie der Künste. Noch im selben Jahr verlieh man ihr den Professorentitel. Sie lehnte jedoch grundsätzlich alle Titel ab und verbat es sich, damit angesprochen zu werden. Ab 1928 war sie Leiterin eines Meisterateliers für Grafik an der Akademie. Allgemein scheint sie sich wenig um Statussymbole geschert zu haben. Trotz ihres Erfolgs war sie sehr selbstkritisch und stellte hohe Ansprüche an sich und ihr Schaffen: „Leider hab [ich] meine Kraft von Wochen dareingesetzt, meinen Kopf plastisch zu machen. Schraube ohne Ende, es wird täglich besser und nie gut. Abbrechen wäre das beste, aber ich bin zu verbissen“ (Eintrag vom 13.10.1926, in: Käthe Kollwitz, Die Tagebücher, 1908–1943, hrsg. v. Jutta Bohnke-Kollwitz, München 2012, S. 617). Der ernsthafte, eher traurige oder nachdenkliche Gesichtsausdruck in diesem Selbstbildnis aus Bronze ähnelt Kollwitz’ zahlreichen zeichnerischen beziehungsweise druckgrafischen Selbstporträts. Die detaillierten Stirn- und Augenfalten der mittlerweile sechzigjährigen Künstlerin und ihre einfache Frisur zeugen von einem ehrlichen Blick auf sich selbst. Dieser Kopf wurde zur Vorlage für den Kopf der Mutter im Denkmal „Die trauernden Eltern“ (1927–1932; Friedhof in Vladslo, Belgien) – es ist ihrem Sohn Peter gewidmet, der bereits 1914 im Ersten Weltkrieg umgekommen war. | Emily Joyce Evans
de