Pablo Picassos "Minotauromachie" ist wohl das bedeutendste grafische Werk des Künstlers. Keine Figur findet sich so oft in seinen Bildern wieder, wie der Minotaurus aus der griechischen Mythologie. Er spielt eine wichtige Rolle, da sich Picasso mit jener mythischen Gestalt zu identifizieren versuchte. Die Minotauromachie entstand zu einer Zeit, in der ihn die anhaltenden Auseinandersetzungen mit seiner Frau Olga Koklowa und deren Eifersucht auf Picassos Geliebte Marie-Thérèse Walther derart beschäftigten und plagten, dass er kaum noch künstlerisch arbeitete. Seine Verzweiflung ist in dieses Werk eingeflossen. Im Ursprung bezeichnet die griechische Mythologie die "Minotauromachie" als die Kampfszene zwischen dem Minotaurus, dem Stier-Menschen, und Theseus, einem griechischen Helden. Die Radierung Picassos ist jedoch um ein Vielfaches komplizierter zu deuten. Im Zentrum des Bildes ist ein verletztes Pferd mit schmerzverzerrtem Gesichtsausdruck und, auf ihm liegend, eine bewusstlose Stierkämpferin zu sehen. Ihr Oberkörper ist fast ganz entblößt, ihr nackter Bauch lässt eine Schwangerschaft in frühem Stadium erkennen. Von rechts dringt der gewaltige und muskulöse Minotaurus in das Bild ein und bedroht die Gruppe. Ein kleines Mädchen, links vom Pferd, ohne Furcht dargestellt, beleuchtet mit einer Kerze die Szene und versucht den Minotaurus, der nur in völliger Dunkelheit sehen kann, zu blenden. Am linken Bildrand befindet sich ein Mann auf einer Leiter, der gerade flüchten will. Aus dem Fenster schauen zwei Frauen, die die ganze Szene beobachten und bemitleiden. Wie in einem Traum tritt das Moment der "Doppelsinnigkeit" auf, bei dem sich eine Person in zwei Personifizierungen spaltet. Sowohl das Mädchen als auch die Stierkämpferin kann man auf Picassos Geliebte Marie-Thérèse Walther beziehen. Sie war für ihn die schöne, liebliche und geduldige Erscheinung, die keine Ansprüche an ihn stellte - Eigenschaften, die bei der Mädchengestalt zum Ausdruck k