"Wo man singt, da lass Dich nieder! Böse Menschen haben keine Lieder." Der bekannteste Wahlspruch der deutschen Sängerbewegung trägt dem moralischen Impetus des Männerchorgesanges im 19. Jahrhundert Rechnung. Volkslied, Volksgesang und Volksfest sind in der Frühphase der Sängerbewegung Instrumente zur kulturellen Bildung der Nation, und die schwäbischen Sängervereine stellen die Vorhut dieser Form politisch wirksamer Geselligkeit. Im Vormärz bilden die Männergesangsvereine neben den Turnern ein zentrales Forum der liberalen Nationalbewegung; "der Stände lächerliche Schranken" sollen "niedersinken vor des Gesanges Macht", fordert der deutsche "Sängervater" Karl Pfaff (1795-1866) beim ersten schwäbischen Liederfest 1827 in Plochingen...Als Meilenstein in der Geschichte der Sängerbewegung gilt 1824, das Gründungsjahr des Stuttgarter Liederkranzes. Aus diesem Jahr stammt auch die älteste erhaltene Vereinsfahne, allerdings nicht aus Stuttgart, sondern aus Kirchberg an der Jagst. Dort, in der ehemaligen honenloheschen Residenz, hatte sich bereits zwei Jahre früher ein Sängerbund konstituiert, der neben den Gesangsvereinen in Schwäbisch Hall (gegründet 1817), Heilbronn (1818) sowie Rottenburg am Neckar und Höflingen bei Ulm (beide ebenfalls 1822) zu den ältesten Gründungen in Württemberg zählt. Franz Christoph Leffer (1783-1853), Kanzlist in Diensten des Fürsten von Hohenlohe-Kirchberg, und Georg Friedrich Zahn (1802-1846), ein musikalisch vorgebildeter Goldschmied, sind die Gründungsväter des Kirchberger Sängerbunds Liederkranz, wie der Verein sich in den ersten Jahren nannte...Die Vereinsfahne wurde 1824 zum stattlichen Preis von 21 Gulden angeschafft. 39 Mitglieder konnte der Kirchberger Liederkranz unter seinem Banner versammeln, darunter ein Buchbinder, zwei Schreiner, ein Hutmacher, ein Bäcker, ein Weber, ein Färber, sein Schneider, ein Geschirrmacher und zwei Maurer. Die Fahne ist die älteste ihrer Art, die sich in Deutschland erhalt