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Potsdam Museum - Forum für Kunst und Geschichte Villa Gutmann, Bertinistraße

Villa Gutmann, Bertinistraße

Die Villa Gutmann in der Bertinistraße zählte zweifellos zu den schönsten und extravagantesten Villen Potsdams. Architekt Reinhold Mohr wurde von 1921 -1926 vom Eigentümer zum Umbau, der aus älteren Vorgängerbauten entstandenen und ab 1900 immer wieder erweiterten Villa engagiert. Neben einer aufgrund ihrer expressionistischen Architektur spektakulären Turnhalle, entwarf Mohr ein neues Speisezimmer, einen Festsaal, luxuriöse Bäder und vor allem das berühmte „Arabicum“ – einen von mehreren exotischen Themenräumen - ausgestattet mit der originalen Boiserie eines Damaszener Zimmers aus dem 18. Jahrhundert, von denen es weltweit nur fünf weitere Beispiele gibt.

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Turnhalle und Bootshaus der Villa Gutmann, Bertinistraße

In Mohrs „Aufstellung“ über die 1965 noch bei ihm befindlichen Zeichnungen nehmen die Arbeiten für Bankier Gutmann den größten Raum ein. Herbert M. Gutmann (1879 – 1942), Direktor der Dresdner und später Präsident der Deutschen Orientbank, der infolge der Bankenkrise von 1931 und des Aufstiegs des Faschismus seinen beruflichen und gesellschaftlichen Niedergang erlebte, reüssierte in Fachkreisen vor allem als Experte und Sammler für vorder- und ostasiatische Kunst. Seinem Hang zur Repräsentation entsprechend erwarb er 1919 die sechs Jahre zuvor gepachtete Villa Heller am Jungfernsee. Dieselbe war damals schon ein malerisches Konglomerat von Haupt- und Nebengebäuden. 1921 trat Gutmann erstmals an Mohr heran, um ihm „für die Einrichtung eines in Damaskus gekauften Zimmers“ einen Anbau zu entwerfen. Fünf Jahre später erfolgte dann der Auftrag für die hier dargestellte Turnhalle. Anfangs über dem Bootshaus am Jungfernsee geplant, riet Mohr von dieser aus seiner Sicht ungünstigen Lage ab. [Thomas Sander] Blattangaben: u.r.: Turnhalle mit Medi(c)o.-Mechan. Apparaten über Bootshaus / Direktor Gutmann. Potsdam, Bertinistraße. / 25.6.26. / Mohr.

Skizze für Turnhalle und Bedienstetenwohnung

Während der Erstentwurf vom 25. Juni 1926 (AT-2016-20) die Turnhalle noch in einem auskragenden, mit Erkern, Altan und Stülpschalung malerisch inszenierten Aufbau über dem am Jungfernsee liegenden Bootshaus vorsah, wurde auf Mohrs Anraten hin dafür nun ein Anbau direkt an der Villa vorgenommen. Der Vorteil lässt sich gut aus den Grundrissen ersehen: Im Untergeschoss erhält das für die Bedienung des Hausherrn notwendige Personal Aufenthaltsräume, der Koch sogar ein Schlafzimmer; und die Turnhalle darüber wird mit einem Bad- und WC-Bereich gekoppelt. Die Kommunikation zwischen Haupthaus und Turnhalle ist nun zu jeder Jahreszeit von der Witterung unabhängig. Da die Architektur der Villa innen wie außen ohnehin schon ein heterogenes Bild bot, mussten bei der Anfügung der Turnhalle auf der Rückseite des Haupthauses und im Winkel zum Saalbau keine allzu großen Rücksichten auf das Vorhandene genommen werden. Ganz im Gegenteil scheint der Bauherr solche Herausforderungen genossen zu haben. [Thomas Sander] Blattangaben: u.l.: Erster Entwurf / I. Obergeschoss. / M:100. R. Mohr.; u.r.: R. Mohr 1926.

Anbau eines Seitenflügels

Bei diesem Blatt handelt es sich um einen Teil der Ausführungsplanung für den an der Villa Gutmann geplanten Turnhallenanbau. Dieses Projekt stellte für Mohr nach dem Anbau des sogenannten „Arabicums“ zur Aufnahme eines aus dem 18. Jahrhundert stammenden Zimmers aus Damaskus (1921) und der Vergrößerung des Esszimmers für den Empfang des schwedischen Königs Gustav V. (1926) den III. Bauabschnitt dar. Beruhend auf ersten Skizzen für den endgültigen Standort auf der Rückseite des Hauses (AT-2016-21) optimierte Mohr die innere Aufteilung. Im Erdgeschoss wurden das Zimmer des Dieners Kuhfort, der sich angeblich „wie ein Graf“ benahm, und die Eckterrasse vergrößert. Die ohnehin schon durch ihre spitzbogige Binderkonstruktion sakral anmutende Turnhalle im Obergeschoss erhielt eine Art Seitenschiff für verschiedene medico-mechanische Apparate nach den Prinzipien der Heilgymnastik, teuer und damals sehr modern. Dazu kamen noch ein Kinovorführraum und getrennte Bäder für die Dame und den Herrn. [Thomas Sander] Blattangaben: o.l.: Haus Direktor H. Gutmann / Potsdam Bertinistr. 16 / Anbau eines Seitenflügels M 1:100.; u.r.: Der Architekt: R. Mohr 1926.

Kachelofen in der Turnhalle

Die Turnhalle der Villa Gutmann zählt wegen der überragenden Qualität ihrer expressionistischen Architektur nicht nur zu den bedeutendsten Werken Reinhold Mohrs, sondern überhaupt zum Besten, was seinerzeit im Land Brandenburg an Innenarchitektur geschaffen wurde. Zu ihrer Ausstattung gehört neben der hier erstmals installierten Prismenbeleuchtung, die Mohr später auch in anderen Bauten verwendete, so in den Foyers des Städtischen Krankenhauses und des Wasserwerkes III am Werderschen Damm, ein großer Ofen mit einer Verkleidung aus rot- und schwarzglasierten Veltener Kacheln. An der südlichen Schmalseite der Halle gelegen und damit zugleich ihr Blickfang, besitzt der Ofen in der linken Hälfte eine mit dem Schornstein auf der Außenseite verbundene Heizvorrichtung. Die aufsteigende Warmluft wird über spezielle Luftöffnungen in den Raum geleitet. In der Mitte des Ofens befindet sich eine „mit Messingdraht versehene Schiebetür“, durch die sich der Altan auf der Südwestecke betreten lässt. [Thomas Sander] Blattangaben: u.r.: Luftheizung. Die Kacheln in Velten gebrannt. / R. Mohr.

Wandspalier an der Turnhalle

Reinhold Mohr schreibt auf Seite 18 seiner „Aufstellung“: „Eine Zeichnung vom Spalier an der fensterlosen Wand der Turnhalle“. Er datiert das Blatt auf 1926. Zu sehen ist eine Wandfläche, die im unteren Bereich durch lisenenartige Spaliergitter in regelmäßigem Abstand unterteilt wird. Im oberen Bereich werden die Gitter durch sich kreuzende, große und kleine Zickzacklinien auf expressive Weise miteinander verbunden. An den vor- und zurückspringenden und durch unterschiedliche Fenster- und Türformate geprägten Fassadenabschnitten der Villa hatten die überall angebrachten und mit Efeu berankten Spaliere wohl vor allem der optischen Beruhigung und Vereinheitlichung zu dienen. Bei der Betrachtung des Blattes erscheint es zunächst unmöglich, die Darstellung einer der drei Fassaden der Turnhalle zuzuordnen. Erst, wenn man es über Kopf betrachtet, erkennt man rechts die Doppelpostamente des Altans auf der Südwestecke der Turnhalle. Mohr hat das Blatt im Nachhinein falsch herum beschriftet. [Thomas Sander] Blattangaben: u.m.: Wandspalier an der Turnhalle / u.r.: R. Mohr 1926.

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