museum-digitaldeutschland
STRG + Y
de
Museum Baruther Glashütte Vacuumglas Berlin. Eine literarische Biografie (Vortragssammlung Februar 2020)

Vacuumglas Berlin. Eine literarische Biografie (Vortragssammlung Februar 2020)

Über die Sammlung

Gläser sind Persönlichkeiten, die sich zuweilen glänzend darstellen, als wären sie ein absoluter Zauber. Nehmen wir sie in die Hand, zeigen sie sich eingebunden in die Zeit. Sind nicht mehr losgelöst und erhaben. Nah betrachtet, erscheinen sie eingefügt in die Gemengelage der Welt. Schauen wir in sie hinein, geben diese Werke ihre Individualität preis, ihre Prägungen, die ihnen die Schöpfer, Konjunkturen und Moden gaben. Wir spiegeln uns in ihren Körpern. Sie reflektieren das Erhabene und bezeugen unsere Vergänglichkeit.
Es sind Glasmacher, Instrumentenmacher, Schleifer und auch Glasschneider, die die Gläser schufen. Schmelzöfen oder Glasbläserlampen machten das Glas bereit, durch das handwerkliche Geschick der Glaskünstler Form anzunehmen. In einer Zukunft würde diese Handwerkstradition Kulturerbe sein. In den Anfängen dieser Lebens- und Familiengeschichte waren die Glasmacher und Glasinstrumentenmacher Zentralfiguren für Wirtschaft und Fortschritt. Als Traditionalisten verstanden sie sich nicht, denn ihre Produkte sind unverzichtbar für den privaten Haushalt, aber auch für wissenschaftliche Institute und ärztlichen Praxen.
Formen und Funktionen wandeln sich mit der Zeit durch technische Anforderungen und Kundenwünsche. Gläser bilden Familien, sprechen Sätze, dienen als Service, wechseln Besitzer und Orte, an denen sie sich nützlich zeigen. Ein Prosit auf den Trinkkelch, in dem der Wein funkelt. Respekt für das Spezialglas, das das Vakuum umschließt und technischen Wandel ermöglicht.
Wir begegnen Reinhold Burger und seiner Familie an einem entlegenen Spielort. Eine provinzielle Fabrik, die den Lichthunger der Welt befriedigte.
Reinhold Burger schillert wie der Stoff, den er zu seinem Lebensthema machte. Diese Persönlichkeit ersann Glasapparate und meldete erfolgreich Patente an. Reinhold Burger ist der Held dieser Geschichte. Die Umstände seines Lebens wollen wir ins Leben rufen mit diesem Bericht über wirkliche Ereignisse. Hätten wir dieses Lebens selbst Leben können?
Burger zog seine Straße fröhlich, lässt sich biblisch und pathetisch über diesen gläubigen Mann sagen. Er ist initiativ und selbstbewusst einen Lebensweg gegangen, der ihm ein Stück weit gebahnt und vorherbestimmt war durch die Anlagen seiner Familie. Die Burgers pflegten als Facharbeiter die Glaskunst am Ofen und in der Schleiferei. In sein Lebensband sind Muster seines märkischen Geburtsortes, der Baruther Glashütte, eingewebt. Dieses Gefüge lässt sich berichterstattend [mit Blick auf alte Werkzeuge und Akten in der historischen Dampfschleiferei, in Burgers Fabrikort, der nunmehr Museumsdorf ist,] freilegen. Das Glasmachermilieu in der märkischen Werksiedlung, im Wald, östlich von Baruth war das Gelände für Burgers Kindheit und das Sprungbrett für unseren Technikpionier in seine Selbständigkeit als Glasinstrumentenmacher in der Metropole Berlin. Viele Menschen begleiten ihn und es gilt, sie sich zu vergegenwärtigen. Viele Kunden haben seine Artikel geordert und ihn in einer fortschrittlichen Welt vernetzt. Burger wurde zu einem Modernist aus der Mark Brandenburg, der die Zweite industrielle Revolution mitgestaltete. Es ist ein ganz eigener auch eigensinniger Reinhold Burger, über den hier geschrieben steht. „Durch die Gnade Gottes bin ich, was ich bin“, mag er gedacht haben. Ich bin talentiert. „Reinhold Burger mein Name“. Aber dieses Unteilbare wird in der Umgestaltung und wahrscheinlichen Fiktion umgeformt in eine Person, die für viele steht, für viele Glasmacher und für manchen Instrumentenmacher in der rasanten Zeit zwischen 1850 und 1950. Sein Name und die anderen Namen sind das Einzige aus der Wirklichkeit, was in einer Lebensgeschichte unverändert existieren kann [K.].
[Exkurs Namen/Konzept]
Wie sollte eine Lebenserzählung keine Vereinfachung und Farce sein? Der Bericht, der sich aufschwingt mehr zu sein, zieht Wirklichkeit, die in den überlieferten Apparaten oder mit Burgers „B.“ als Kürzel unter seinen hinterlassenen Schriftstücken greifbar wird, zu einigen wenigen Figuren und Episoden zusammen. Diese Figuren mit ihren Erfahrungen schleift der Sand der Sprache ab. Eine Tonaufnahme von Reinhold Burger aus dem Jahr 1941 würde erhalten bleiben. Es ist ein Interview zu seinem 75sten Geburtstag. Doch dieses Original, ein tendenziöser Radiobericht, ist nicht wahrer als dieses Buch. Seine Dialoge sind wahrscheinlich, aber keine Wahrheiten, welche als absolute Setzungen der Geschichte fremd sind. Auch Reinhold Burgers Gedächtnis war keine fest stehende Wahrheit. An viele Dinge in seinem Leben erinnerte er sich nicht, vieles geriet in Vergessenheit und wurde überlagert. Jede Erinnerung verändert sich, wenn wir sie aus dem Gedächtnis hervorholen. Und auch jede Quelle, die in diesen Bericht hineinscheint, Gläser aus der Sammlung der Baruther Glashütte, existierende Gebäude in Glashütte und Berlin oder Archivalien aus dem Burger-Nachlass, all dies legte sich an den Textkörper an, mit dem der Autor rang.
»Verortung«

75 Meter über NormalNull. 52,05 Breite, 13,50 Länge. Zwischen den Zeiten. Ein Ort oder eine Linie am Rande des Städtchens. Baruth überall. Nördlich: ein Tal, breit und feucht und jung. 25000 Jahre. Urstrom. Wenige Schritte südlich, bergan zurück in die Vergangenheit. Angekommen im Ältesten, Kraft, stark gleichfalls, aber zehnfach älter. Ein interstadialer Ort. Übergang, Sattel, Schwelle. Wir müssen hinüber. Mit ihnen. Engstelle eines Lebens, einer Familie, an einem realen Ort. Rund-oval liegt er vor uns, zwei Türme spitzen in den Himmel. Wege kreuzen sich, drehende Flügel im Wind.Gläser sind Persönlichkeiten, die sich zuweilen glänzend darstellen, als wären sie ein absoluter Zauber. Nehmen wir sie in die Hand, zeigen sie sich eingebunden in die Zeit. Sind nicht mehr losgelöst und erhaben. Nah betrachtet, erscheinen sie eingefügt in die Gemengelage der Welt. Schauen wir in sie hinein, geben diese Werke ihre Individualität preis, ihre Prägungen, die ihnen die Schöpfer, Konjunkturen und Moden gaben. Wir spiegeln uns in ihren Körpern. Sie reflektieren das Erhabene und bezeugen unsere Vergänglichkeit.
Es sind Glasmacher, Instrumentenmacher, Schleifer und auch Glasschneider, die die Gläser schufen. Schmelzöfen oder Glasbläserlampen machten das Glas bereit, durch das handwerkliche Geschick der Glaskünstler Form anzunehmen. In einer Zukunft würde diese Handwerkstradition Kulturerbe sein. In den Anfängen dieser Lebens- und Familiengeschichte waren die Glasmacher und Glasinstrumentenmacher Zentralfiguren für Wirtschaft und Fortschritt. Als Traditionalisten verstanden sie sich nicht, denn ihre Produkte sind unverzichtbar für den privaten Haushalt, aber auch für wissenschaftliche Institute und ärztlichen Praxen.
Formen und Funktionen wandeln sich mit der Zeit durch technische Anforderungen und Kundenwünsche. Gläser bilden Familien, sprechen Sätze, dienen als Service, wechseln Besitzer und Orte, an denen sie sich nützlich zeigen. Ein Prosit auf den Trinkkelch, in dem der Wein funkelt. Respekt für das Spezialglas, das das Vakuum umschließt und technischen Wandel ermöglicht.
Wir begegnen Reinhold Burger und seiner Familie an einem entlegenen Spielort. Eine provinzielle Fabrik, die den Lichthunger der Welt befriedigte.
Reinhold Burger schillert wie der Stoff, den er zu seinem Lebensthema machte. Diese Persönlichkeit ersann Glasapparate und meldete erfolgreich Patente an. Reinhold Burger ist der Held dieser Geschichte. Die Umstände seines Lebens wollen wir ins Leben rufen mit diesem Bericht über wirkliche Ereignisse. Hätten wir dieses Lebens selbst Leben können?
Burger zog seine Straße fröhlich, lässt sich biblisch und pathetisch über diesen gläubigen Mann sagen. Er ist initiativ und selbstbewusst einen Lebensweg gegangen, der ihm ein Stück weit gebahnt und vorherbestimmt war durch die Anlagen seiner Familie. Die Burgers pflegten als Facharbeiter die Glaskunst am Ofen und in der Schleiferei. In sein Lebensband sind Muster seines märkischen Geburtsortes, der Baruther Glashütte, eingewebt. Dieses Gefüge lässt sich berichterstattend [mit Blick auf alte Werkzeuge und Akten in der historischen Dampfschleiferei, in Burgers Fabrikort, der nunmehr Museumsdorf ist,] freilegen. Das Glasmachermilieu in der märkischen Werksiedlung, im Wald, östlich von Baruth war das Gelände für Burgers Kindheit und das Sprungbrett für unseren Technikpionier in seine Selbständigkeit als Glasinstrumentenmacher in der Metropole Berlin. Viele Menschen begleiten ihn und es gilt, sie sich zu vergegenwärtigen. Viele Kunden haben seine Artikel geordert und ihn in einer fortschrittlichen Welt vernetzt. Burger wurde zu einem Modernist aus der Mark Brandenburg, der die Zweite industrielle Revolution mitgestaltete. Es ist ein ganz eigener auch eigensinniger Reinhold Burger, über den hier geschrieben steht. „Durch die Gnade Gottes bin ich, was ich bin“, mag er gedacht haben. Ich bin talentiert. „Reinhold Burger mein Name“. Aber dieses Unteilbare wird in der Umgestaltung und wahrscheinlichen Fiktion umgeformt in eine Person, die für viele steht, für viele Glasmacher und für manchen Instrumentenmacher in der rasanten Zeit zwischen 1850 und 1950. Sein Name und die anderen Namen sind das Einzige aus der Wirklichkeit, was in einer Lebensgeschichte unverändert existieren kann [K.].
[Exkurs Namen/Konzept]
Wie sollte eine Lebenserzählung keine Vereinfachung und Farce sein? Der Bericht, der sich aufschwingt mehr zu sein, zieht Wirklichkeit, die in den überlieferten Apparaten oder mit Burgers „B.“ als Kürzel unter seinen hinterlassenen Schriftstücken greifbar wird, zu einigen wenigen Figuren und Episoden zusammen. Diese Figuren mit ihren Erfahrungen schleift der Sand der Sprache ab. Eine Tonaufnahme von Reinhold Burger aus dem Jahr 1941 würde erhalten bleiben. Es ist ein Interview zu seinem 75sten Geburtstag. Doch dieses Original, ein tendenziöser Radiobericht, ist nicht wahrer als dieses Buch. Seine Dialoge sind wahrscheinlich, aber keine Wahrheiten, welche als absolute Setzungen der Geschichte fremd sind. Auch Reinhold Burgers Gedächtnis war keine fest stehende Wahrheit. An viele Dinge in seinem Leben erinnerte er sich nicht, vieles geriet in Vergessenheit und wurde überlagert. Jede Erinnerung verändert sich, wenn wir sie aus dem Gedächtnis hervorholen. Und auch jede Quelle, die in diesen Bericht hineinscheint, Gläser aus der Sammlung der Baruther Glashütte, existierende Gebäude in Glashütte und Berlin oder Archivalien aus dem Burger-Nachlass, all dies legte sich an den Textkörper an, mit dem der Autor rang.
»Verortung«

75 Meter über NormalNull. 52,05 Breite, 13,50 Länge. Zwischen den Zeiten. Ein Ort oder eine Linie am Rande des Städtchens. Baruth überall. Nördlich: ein Tal, breit und feucht und jung. 25000 Jahre. Urstrom. Wenige Schritte südlich, bergan zurück in die Vergangenheit. Angekommen im Ältesten, Kraft, stark gleichfalls, aber zehnfach älter. Ein interstadialer Ort. Übergang, Sattel, Schwelle. Wir müssen hinüber. Mit ihnen. Engstelle eines Lebens, einer Familie, an einem realen Ort. Rund-oval liegt er vor uns, zwei Türme spitzen in den Himmel. Wege kreuzen sich, drehende Flügel im Wind.

[Stand der Information: ]