Der in auffallend engem Kontrapost stehende Heiland trägt über ein langärmeliges, gegürtetes Gewand einen weiten, bis auf den Boden fallenden Mantel. Die heute fehlende Rechte war im Segensgestus vorgestreckt; die Linke hält eine große Weltkugel vor der Hüfte, wohin das Manteltuch gerafft ist, welches auf seiner rechten Seite einen großen Faltenbausch bildet. Sein Kopf mit dem langen, welligen Haar fällt in Locken über Rücken und Schultern. Sein gesenkter Blick meditiert über die Weltkugel in seiner Linken.
Die Statuette steht auf einer aus dem selben Stück geschnitzten runden Bodensockelplatte, auf dessen Vorderseite in erhaben geschnittenen Kapitälchen "Salvator" - der Erlöser - geschrieben steht. Zu dieser Figur gehören noch 12 Apostelstatuetten, von denen zwei weitere, die Heiligen Jacobus d. Ä.(Inv. 7714) und Philippus (Inv. 7715) sich ebenfalls in der Skulpturensammlung befinden. Ferner haben sich aus dieser Serie noch ein Heiliger Bartholomäus in Szépmüvésti Múzeum in Budapest erhalten sowie die Heiligen Simon und Matthias im Victoria & Albert Museum in London.
Aufgrund der jeweils an der Unterseite eingeritzten Initialen "vFL - bei der Christusfigur mit ausgeschriebenem nachnamen "vFLoo" - konnte der Schöpfer dieser Werke leicht als der flämische Bildhauer und Bildschnitzer Frans, oder auch unter den Namen Francis oder Francois bekannte van Loo identifiziert werden.
Durch eine unlängst aufgetauchte Fotografie mit 10 weiteren Apostelfiguren ist eine zweite Serie des Künstlers bezeugt.
Frans van Loo war zwischen 1607 und 1654 durchweg in seiner Heimatstadt Mechelen tätig, Wie auch andere Künstler seiner Generation - hier seien nur die Bildhauer Artus Quellinus d. Ä. (1609-1668) und der in Augsburg und Antwerpen tätige Georg Petel (1601/02-1634) erwähnt -, stand auch van Loo unter dem unmittelbaren Einfluss des flämischen Malers Peter Paul Rubens (1577-1640). Dieser hatte in den Jahren 1618/19 im Auftrag der Mechelner Fischergilde für deren Altar in der Kirche Notre-Dame-au-delà-de-la-Dyle das Triptycon mit der "Darstellung des wunderbaren Fischzugs Petri" ausgeführt. Die Monumentalität und die physische Präsenz der dort dargestellten Figuren sollten sich auf die Bildwerke van Loos stilbildend auswirken - insbesondere jedoch die der Heiligendarstellungen auf den Seitentafeln.
Sicherlich sind die Statuetten van Loos in Anlehnung an großformatige Apostelzyklen entstanden, wie sie seit dem Mittelalter häufig an Säulen oder Pfeilern im Kircheninnern anzutreffen sind. Die Berliner Statuetten dürfen aufgrund ihrer wesentlich kleineren Dimensionen jedoch vielmehr im Zusammenhang eines Altares gesehen werden, wo sie vermutlich - Christus flankierend - in einer Predella Aufstellung fanden. Aufgrund ihrer feinen Ausarbeitung, die sich nicht nur in der virtuosen Darstellung der Gewänder zeigt, sondern auch in der individuellen Gestaltung der Gesichter mit ihren Glasaugen äußert, besitzen alle Statuetten van Loos eine Lebendigkeit des Ausdrucks, die den großformatigen Apostelzyklen in nichts nachstehen.
Hans-Ulrich Kessler
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