Das ovale Relief gehört wie sein Pendant (Inv. M 209) zu den wenigen in Marmor ausgeführten Stillleben.
Es zeigt eine Ansammlung toter, an einem Ring aufgehängter Vögel. In der Mitte ein an einem Fuß aufgehängtes Rebhuhn, dessen offene Brust mit den geöffneten Flügeln dem Betrachter zugewandt ist. Des weiteren schaut links der Kopf eines Hahns hervor sowie einige kleinere Singvögel, die kunstvoll neben oder übereinander arrangiert sind. Die Darstellung schildert eindrücklich den Artenreichtum des Elements Luft, während das bereits erwähnte Pendant mit der Darstellung von Fischen das Element Wasser widerspiegelt.
Die Gattung des Stillebens erfreute sich in der Malerei des 17. und 18. Jahrhunderts aufgrund ihrer täuschend echten Wiedergabe großer Beliebtheit. Unser Bildhauer, der vermutlich im Umkreis von Jean Baptiste Houdon zu suchen ist, stellte sich hier der Herausforderung, die farbigen Vorbilder mit den Mitteln seiner Kunst - einem monochromen, jedoch dreidimensionelen Stein - noch zu übertreffen. Indem er nicht nur die Materialität der gefiederten Geschöpfe täuschend nachbildete, sondern auch durch die dreiminsionale Schichtung der Tiere ein bewegtes Schattenspiel erzeugte, gelang es ihm, den leblosen, monochromen Stein zum Leben zu erwecken.
Wir haben es hier mit einem so genannten "Paragone" zu tun, womit der Wettkampf der Kunsgattungen gemeint ist, also den Streit, ob die Kunst der Malerei oder die der Skulptur höher zu bewerten sei. Hiermit wird ein bereits seit der Antike überlieferter Wettstreit nachgeeifert, bei der die Künstler die Natur zu übertreffen suchten. Schon der antike Schriftsteller Plinius beschrieb im 35. Buch seiner "Naturalis Historiae" einen Mann namens Possi, der aus Ton Früchte und Trauben schuf, die den echten täuschend ähnlich sahen. Die überzeugende, dreidimensionale Wiedergabe des Bildhauers wurde somit den Werken des antiken Malers Zeuxis gleichgesetzt, dessen gemalte Trauben angeblich sogar die Vögel anlockten.
Hans-Ulrich Kessler
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