Das aus den Köpfen von drei Männern und zwei Frauen zusammengestellte Glasgemälde ist ein typisches Beispiel für eine hauptsächlich um die Wende zum 20. Jahrhundert von Werkstätten gepflegte Praxis, bei Restaurierungen ausgeschiedene Fragmente zu Pasticcios zu verarbeiten. Ihrem unterschiedlichen stilistischen Erscheinungsbild nach zu schließen, dürften die Fragmente verschiedenen Fenstern entnommen sein. Der junge Mann im Zentrum trägt ein blaues Wams, vom Gewand des Bärtigen rechts darüber ist nur der gelbe Kragen erhalten, der rote Mantel zwischen den beiden Frauen scheint ein Flickstück zu sein. Hinweise auf eine bestimmte Ikonographie gibt allein die weinende Frau, die wegen ihrer Mimik und ihrer modischen Aufmachung an die Magdalena einer Grablegung Christi denken lässt. Aus dem gleichen Feld stammt vielleicht auch das Antlitz der Frau mit dem Schleier. Die kühle stilistische Eleganz der beiden Gesichter erinnert an die von Jean Clouet (um 1485–1540) geprägte Pariser
Malerei aus der Mitte des 16. Jahrhunderts. Allerdings dürften sie nicht vor 1550/60 entstanden sein, denn erst dann kam die Mode auf, die Stirn mit einer Agraffe, einer Perle oder einem anderen Schmuckstück zu zieren. Die Köpfe der beiden Männer darüber sind jedenfalls in einer anderen, früheren Handschrift ausgeführt, ihre ausdrucksvolle Miene, ihr intensiver Blick gemahnt vage an die spröden Charakterköpfe von Nicolas Dipre (gest. 1519 bzw. 1531/32).
CVMA 98757
de