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Museumsprojekt Kleinmachnow Kleinmachnower Objektgeschichten [o. Inv.]
Fotoalbum der Familie Nixdorff (Heide Nixdorff CC BY-NC)
Herkunft/Rechte: Heide Nixdorff / Heide Nixdorff (CC BY-NC)
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Fotoalbum der Familie Nixdorff

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Beschreibung

Weit mehr als die Hälfte der Häuser in Kleinmachnow waren nach 1990 von Rückübertragungsansprüchen betroffen. Als »Hochburg der Restitution« wurde Kleinmachnow bundesweit bekannt, hier polarisierten die bisherigen Mieter*innen und die zurückgekehrten Alteigentümer*innen oder deren Erben – und damit Ost und West – teils bis heute.

Allerdings wird gerade in Kleinmachnow auch deutlich, wie unscharf die Begriffe Ost und West, wie durchlässig die Grenze schon immer war: Viele Kleinmachnower*innen hatten Freunde und Familie in West-Berlin, war der Ort doch lange schon am engsten mit Zehlendorf verbunden – und viele »Rückkehrer« aus dem Westen waren ursprünglich Kleinmachnower*innen, die bei ihrer Flucht in die BRD ihr Haus dort zurückließen.

So auch Heide Nixdorff, die auf den Tag genau 50 Jahre nach der Flucht ihrer Familie nach West-Berlin wieder das Haus ihrer Kindheit zurückkehren konnte. In dieser »Objektgeschichte« erzählt sie von dem fantastischen Erlebnis, nach so langer Zeit ein einziges materielles Überbleibsel der Familie zu entdecken: Das hier gezeigte Familien-Fotoalbum hatte in der Zwischenzeit 17 Mieter »überlebt«!


»Nur, was auf einem kleinen Handwagen Platz fand, konnte mitgenommen werden; Auswahlkriterium: das Nützliche. Aber die 'Nacht und Nebel'-Aktion von Kleinmachnow nach Zehlendorf versprach einen Weg in die Freiheit, Studium für die Mutter, freie Schulbildung für die Kinder, Privatmusik-Unterricht, Kunstbücher etc., beheizbarer, zwar im Keller gelegener Wohnraum und eine Vielfalt an Lebensmitteln. Dafür verließen auch wir als Kinder von 11 und 12 Jahren gern das eigene Haus und den großen Garten in Kleinmachnow mit allem, was dazugehörte. Das war im Januar 1952.
Genau 50 Jahre später, 2002, kehrten wir in das Haus zurück; die Mutter, inzwischen 90-jährig, die Tochter gerade pensioniert; der Sohn zog etwas später mit Schwägerin ganz in die Nähe. Als wir das Haus im Jahr 2000 'Besen-rein' von den letzten Mietern übernahmen – es waren insgesamt 17 Mietereinträge innerhalb der 50 Jahre im Hausbuch verzeichnet –, schwärmte meine Mutter auf dem Weg dorthin plötzlich von einigen Gerätschaften, die sie zurückgelassen hatte: „mein alter Webstuhl, meine tragbare Staffelei, ob sie wohl auf dem alten Dachboden noch versteckt stünden?“ Und ich hielt dagegen: „Sei doch froh, dass wir unbelastet in eine neue Zukunft gehen können“. Denn das Haus war wirklich komplett ausgeräumt, besenrein eben, und ich war froh darüber in Hinblick auf die bevorstehende Sanierung.
Am Ende des Übergabe-Termins erwähnten die letzten Bewohner des Hauses plötzlich noch einen alten Koffer, der auf dem Dachboden stehengeblieben sei. Ob vielleicht der Inhalt mit uns etwas zu tun habe? Wir eilten noch einmal nach oben, schon etwas hungrig und müde von dem aufregenden Event; für die einen der Abschied von ihrem vertrauten Heimatort, für die anderen die Vorfreude auf die Wiederinbesitznahme eines alten Familiendomizils, das die Mutter seit 1928 bewohnt hatte. Und was befand sich in dem alten verbeulten Koffer?
Ein repräsentatives gewichtiges Fotoalbum in Jugendstil-geprägtem Ledereinband mit Messing-Zierverschluss und goldgeprägter Rahmung der einzelnen Fotofenster, voll bestückt mit Aufnahmen von würdigen Damen zum Teil in kostbarer Spitzen-Kleidung, von Herren mit modischen Bärten und anmutigen Kindern aus der Zeit der 1880er Jahre bis ins frühe 20. Jahrhundert. Ich blätterte rasch, erkannte auf die Schnelle aber niemanden bis ich plötzlich auf einige Nachkriegs-Fotos stieß, die flüchtig eingestreut lagen. Es waren Kinder-Bilder von meinem Bruder und mir und schließlich auch ein Foto von meiner Mutter in jungen Jahren. Erst jetzt reichte ich das Album rasch meiner Mutter ans Fensterbrett, um nach den Unbekannten zu
fragen. Und nun sprudelte es: „Das ist doch Omi, der Großvater, Tante Dörte“ etc., etc…. Die Freude war riesengroß. Da war schnell der alte Webstuhl und die Staffelei vergessen.
Wir klemmten uns das staubige Album unter den Arm und nahmen es mit in unsere kleine Pension in Zehlendorf. Bis tief in die Nacht gingen wir wiederholt die Bilder durch und ich notierte mit Bleistift all die Namen und/oder Verwandtschaftsbezeichnungen, die meine Mutter fast alle noch erinnern konnte.
Die Ahnen und lieben Freunde hatte 50 Jahre im Verborgenen ausgeharrt, um uns bei unserer Rückkehr ins Haus freudig zu begrüßen. Nach allem Verlust eine überraschende handgreifliche Erinnerung an frühe, längst vergangene Zeit

(Prof. em. Dr. Heide Nixdorff, Kleinmachnow)

Material/Technik

Papier, geprägtes Leder, Metallschließe

Maße

HxBxT: 39 x 23 x 7 cm

Museumsprojekt Kleinmachnow

Objekt aus: Museumsprojekt Kleinmachnow

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