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Museum Wolmirstedt Plattdeutsches Sprachgut [KG_P_11]
https://st.museum-digital.de/data/san/resources/audio/201408/28165118703.mp3 (Museum Wolmirstedt RR-F)
Herkunft/Rechte: Museum Wolmirstedt (RR-F)
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Kriegsgefangenschaft

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Beschreibung

"Haben sich also doch gekümmert irgendwie... Gedanken gemacht. Kräfte, die gegen den Krieg waren."
"Also am 3. sind Sie geflüchtet, am 4. verurteilt!? Am 4. verurteilt, na ja. Und wie geht das so vor sich?"
"Naja erst mal haben se uns in’n Keller gesperrt, in Großmugl. Und man schläft dann vor Ermüdung doch ein, gegen Morgen. Und als wir morgens aufwachten, da war dann noch einer, der war von Wien, hatte sich durchgeschlagen, durch die Front. Aber von uns beiden wurde der Tatbestand aufgenommen, dass was wir hatten und dann wieder rein in den Keller, den hab ich gesehen, der war so in den Berg hineingetrieben, alles verrostet und verfault, die Türen. Und dann haben sie Tatbestand aufgenommen, wie gesagt und nachmittags da ging die Tür auf dann und ich sagte: „Erhängen oder Erschießen?“ „Nichts, sagt der, ich soll euch nach Bergau bringen zum Kriegsgericht.“ Da hat er uns dann hingebracht. Beide hintereinander. „Macht keinen Ärger“ sagt er „ich muss euch erschießen, wenn ihr noch flüchtet.“ Nee das war nicht drin.
Und da kamen wir dann an, in eine Waschküche hinein. Wahrscheinlich, weil sie vergittert war. Das Gefängnis, da waren 4, 5 Mann schon drin. Ein Unterarzt und ein Unteroffizier, Toni hieß er, der war in der Gegend da zuhause gewesen, hatten ihn wohl Nachbarn oder so verraten, die ihn gesehen hatten. Und einer, das hab ich später erst gemerkt, einer war in Magdeburg, aus Magdeburg. Der hieß Rossland, der war Filmvorführer in Samswegen danach. Was alles so gibt. Hat dann Wäsche geklaut, bis die Kripo dahinter kam. Immer wenn Kino ist im Dorf, fehlt Wäsche.
Na dann kamen wir hin, abends holte uns so’n, na die Sonne war noch am Himmel, so einer ab, sagt: „Ihr seid doch die beiden, die vorhin gekommen sind? Mitkommen zum Kriegsgericht.“ Sagt der: „Wie seht ihr denn aus?“ Menschenskind, da hatten wir gar nicht drauf geachtet, war bis zum Knie ein Modder, weil wir durch ein Sumpfgebiet waten mussten. Aber da kommt man gar nicht drauf, auf solche Nebensächlichkeiten. Und jetzt führt er uns rüber und das war eine Schule und da war das Kriegsgericht. Die Bänke hatte man hingestellt, hinten aufgetürmt und vorn Tische zusammengestellt und dann stellte sich das Kriegsgericht vor: Oberstabsrichter Fock, Oberleutnant als Verteidiger und Schreiber noch. Naja und dann, bisschen Ironie ist dann schon dabei, da blättert der Oberstabsrichter in meinen Papieren und sagt: „Etterwindt, hier in ihren Papieren steht Sie sind doch ein verantwortungsbewusster Mensch. Nu verantworten Sie mal was Sie gemacht haben!“ Ich sag: „Das tut mir sehr leid, aber der Unteroffizier hat uns verführt“ Ob ers geglaubt hat weiß ich nicht. Naja und dann mussten wir raus..."
"Konnte denn der Verteidiger überhaupt was sagen?"
"Der hat nichts gesagt da, nee nee. Es war ja auch Unsinn alles. Er hat aber nachher das Gnadengesuch aufgeschrieben. Ich hatte das Gefühl, der war Lehrer – ich weiß nicht. Das war ein sympathischer Mensch.
Dann mussten wir raus: „Das Gericht zieht sich zur Beratung zurück.“ Nach ner Minute oder zwei Minuten wieder rein, so und dann erging der Urteilsspruch: „Das Kriegsgericht der 48 Infanterie Division verurteilt den Unteroffizier Bär aus Strahlsund und die Obergefreiten Bosch und Obergefreiten Etterwindt zum Tode, dauernden Ehrverlust und zur Wehrunwürdigkeit. Ein Gnadengesuch kann gemacht werden, aber ich möchte gleich darauf hinweisen, dass es zwecklos ist, da das Urteil wahrscheinlich im Laufe der Nacht oder des morgigen Tages vollstreckt wird.“ Da stand ich da auf dem Steintritt – heute sind dicke Bäume davor, da kann man nicht mehr weit gucken – aber damals war alles kahl und man sah da die Sonne untergehen. Und hab gedacht: "Das ist die Sonne, du siehst sie heut zum letzten Mal in deinem Leben". Ist ein seltsames Gefühl. Und ich hab mir vorgestellt, eigentlich immer gewünscht erschossen zu werden – das klingt ein bisschen komisch – und hab dann eine Sandkuhle gesehen, wo wir gerodelt haben in Samswegen, wo so ne Kuhle war nebenan. Wenn ich da vorbei komme, denk ich immer dran. Und das da die Exekution stattfinden sollte. Und dann haben wir gewartet – die Nacht – das Quartier vom General das war so 100 Meter, 150 Meter weg davon. Und wenn dann eine Tür klappte oder eine Auto zündete, dann dachte ich jetzt gehts los. Und ich sah immer von den Gewehren, von den Mündungen das schwarze Loch, das auf uns gerichtet und dann so flüsternde Stimme: "Legt an, gebt Feuer. Legt an, gebt Feuer." unentwegt.
Das ging nun 4 Tage so und wir fragten dann die Leute: „Was ist denn nun, wie machen... ist Frieden?“ „Ja, es wird verhandelt“ sagt die Frau. Wir dachten "Naja die verhandeln bis wir eben tot sind und dann haben se Ruhe". Und das ging dann bis zum 8. Mai. Nachmittags, da kam ein Kettenhund und sagte: „So die Todeskandidaten raus. An die Mauer.“ Und da haben wir uns dann abgestützt bei der Mauer; war so eine Feldstein-, so eine Bruchsteinmauer. Und die ganze Mauer ist dann so lebendig in der Todessekunde. Lebendig und so in Regenbogenfarben. Und man wartet dann auf den Schuss, auf den erlösenden Schuss, muss man schon sagen. Und ich weiß nicht wie lange wir da so standen, da sagt der Kettenhund: „Dreht euch mal um, ich hab nur Spaß gemacht.“ Wir waren ja schon so apathisch, dass uns eigentlich der Tod nun nichts mehr ausmacht, wir waren ja schon halb drüben. Hatten abgeschrieben mit dem Leben, was sollen nun noch kommen.
„Nee“ sagt er „die anderen auch raus.“ Da war noch so ein Unterarzt, war da noch und noch zwei, drei andere. Und er sagte: „Ihr sollt mitkommen, Aufladen helfen.“ Und dann sind wir mit."
"Irgendwie so, eben steht man noch an der Mauer..."
"Ja."
"...im nächsten Moment muss man Aufladen."
"Ja, schlimm.
Und dann haben wir aufgeladen, paar Möbel, aber meist Akten, Berge von Akten. Und als alles aufgeladen war auf dem Hänger, kletterten wir mit rauf, da neigte es sich zum Abend. Die Sonne ging unter und wir fuhren ab, bis Göllersdorf. – Auch wieder wo sie uns gefangen hatten 4 Tage vorher. Da war eine Stube vorbereitet mit Stroh; so haben wir uns dan erst mal ausgezogen, d. h. den Oberkörper befreit und dann auf’m Hof; einer hat gepumpt und die anderen sich am Brunnen dort gewaschen richtig. Wir waren doch tagelang nicht gewaschen. Und als der Mond so schien am Himmel, da wurde ich überfallen von einem Weinkrampf. Der Krampf, dieser Schock, Todesschock der löste sich wahrscheinlich. Naja, ich ging dann hinein und hab geschlafen. Man hätte ja abrücken können dort. Es war keine Bewachung mehr da. Aber nee wir waren so apathisch, dass uns alles egal war. Und dann stiegen wir wieder auf den Trecker, auf den Hänger; hinterm Dorf letzten Haus auf der Wiese links da brannte ein Feuer und ein Schreiber der mit auf dem Hänger saß, der sagte: „Jungs, jetzt seid ihr frei. Da brennen eure Akten. Jetzt seid ihr wieder frei“.

Material/Technik

Tonaufnahme

Maße

Dauer: 8:56 min

Karte
Hergestellt Hergestellt
1995
Häusler, Margitta
Samswegen
Verfasst Verfasst
1995
Arthur Etterwindt
Samswegen
Aufgenommen Aufgenommen
1995
Arthur Etterwindt
Samswegen
1994 1997
Museum Wolmirstedt

Objekt aus: Museum Wolmirstedt

Das Wolmirstedter Museum wurde 1927 gegründet und befindet sich seit 1981 in einer teilweise ausgebauten Bruchsteinscheune auf der Schlossdomäne,...

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