Möglicherweise ist die Zeichnung identisch mit dem etwa gleich großen und technisch ähnlich gestalteten Blatt »Le jeu de la main chaude«, das 1772 auf der Versteigerung der Slg. Huquier verkauft wurde und später in die Slg. Paignon-Dijonval in Dijon gelangte (vgl. de Goncourt, l, 1880, S. 353; Martin 1908, Nr. 314). Im 1908 von Martin verfaßten Werkkatalog kommt das Thema nur einmal unter den Familienszenen vor.
Die Berliner Zeichnung zeigt das unter Bauernburschen in einem Hof veranstaltete Spiel »Schinkenklopfen«. In der Mitte kniet der halb vom Rücken zu sehende Geschlagene und birgt sein Gesicht im Schoß einer älteren Frau, während seine linke Hand abwehrbereit auf dem Rücken liegt. Von links stürmt mit weit zum Schlag ausholenden Händen eine Männergruppe zu ihm heran. Eine junge Mutter versucht daraufhin, ihre Sprößlinge in Sicherheit zu bringen. Rechts werden ältere, offensichtlich beeindruckte Zuschauer durch einen »Diktator mit starker Hand« zur Zurückhaltung gedrängt. Ein neben dem Geschlagenen am Boden kniender Mann will jenen wohl auf das Kommende vorbereiten. Zwei junge Mädchen verfolgen vom Hintergrund aus das Schauspiel und kichern. Von den Erwachsenen unbeobachtet, gehen Kinder ihre eigenen Wege. Ein Kleinkind ist beim ersten Gehversuch auf die Nase gefallen. Rechts vorne reizt ein kleiner Junge einen angeketteten Hund. Eine alte Frau eilt – von Neugierde getrieben – die Außentreppe zum Hof herab. Zwei Liebende sind hinter ihrem Rücken mit sich selbst beschäftigt.
Obwohl skizzenhaft gestaltet, ist das Berliner Blatt sehr bewußt inszeniert und in sich völlig abgerundet. Trotz der inhaltlichen Harmlosigkeit dieser Genreszene gibt ihr Greuze durch Repoussoirfiguren, bilddiagonale Kompositionsführung und die heftige Gebärdensprache seiner Akteure dramatische Bühnenwirkung. Das deutlich von niederländischer Genrekunst des 17. Jahrhunderts (stilistisch auch von Rembrandt-Zeichnungen) beeinflußte Blatt läßt sich am ehesten mit Greuze-Zeichnungen der späteren 60er Jahre vergleichen, etwa den Studien zu »La Malédiction Paternelle« und »Le Fils Puni« oder »La Poupée Dansante« (Brookner 1972, Abb. 38-39, 48) der Wiener Albertina.
Text: Sigrid Achenbach in: Das Berliner Kupferstichkabinett. Ein Handbuch zur Sammlung, hg. von Alexander Dückers, 2. Auflage, Berlin 1994, S. 324-325, Kat. VI.23 (mit weiterer Literatur)
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