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Kupferstichkabinett [SZ Redon 1]
http://www.smb-digital.de/eMuseumPlus?service=ImageAsset&module=collection&objectId=1589204&resolution=superImageResolution#3230106 (Kupferstichkabinett, Staatliche Museen zu Berlin CC BY-NC-SA)
Herkunft/Rechte: Kupferstichkabinett, Staatliche Museen zu Berlin / Jörg P. Anders (CC BY-NC-SA)
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Das Schweißtuch der Veronika mit dem Abdruck des Hauptes Christi

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Beschreibung

Redon, der in seinen »Noirs«, Zeichnungen und graphischen Blättern, in denen er alle Nuancierungen schwarzer und grauer Töne zur Gestaltung des Visionären ausgekostet hat, gab auch in diesem Blatt viel seiner persönlichen Melancholie wieder. Seine Tagebuchaufzeichnungen, die 1922 in Paris erschienen, beginnen mit der Feststellung, er habe eine Kunst nach seinem eigenen Ich gemacht, wobei er den Gesetzen der Natur folgte und sich von einigen Meistern zum Kult der Schönheit führen ließ. Sein schwermütiges Wesen war von der Landschaft einer kulturlosen Heide, zwischen dem Medoc und dem Meer gelegen, geprägt, an deren Rande seine Familie das Gut Peyrelebade besaß. Diese Landschaft nährte sein Vergnügen am Schweigen und der Einsamkeit. Bis zum Zwangsverkauf des Gutes 1897, hatte es ihn regelmäßig in diese Landschaft gezogen, die der Boden seiner Kunstwelt aus Träumen und Ahnungen war. »Die Menschen, denen man hier begegnet«, schrieb er »scheinen sich zu verneinen, aufgezehrt erloschen sind sie, mit gequälten Augen alle, an diesem verlassenen Ort und im Verzicht auf sich selbst.« (Odilon Redon: Selbstgespräch, hrsg. von Marianne Türoff, München 1971, S.11). Zu Dürers »Melancholie« von 1514, in der für das vieldeutig trauernde Menschenantlitz eine einzigartige Form gefunden wurde, schrieb Redon 1906: »Diese bewunderungswürdige Melancholie bleibt für mich, was sie immer war: eine reiche, tiefe immer neue Quelle vollkommener, abstrakter, tiefgründiger Linien, die ungeheure Weiten offenbaren. Ich kenne kein Bild, das gehaltvoller wäre, dessen Anlage und Struktur so viele Türen ins Geistige öffnen.« (Redon 1971, S. 89)
Redons Auseinandersetzung mit der Gestalt Christi zeigen schon Blätter der 80er Jahre, damals schrieb er: »...als die Gedanken zu dem sanften Tröster der Armen gingen; tausend Gebete, aber keine Liebe, keine Tat in seinem Namen: der Widerstand ein Zusammenstoß gegensätzlicher Gedanken.« (Redon 1971, S. 57) Unser Blatt findet einen formalen Zusammenhang weniger mit Darstellungen des Hauptes Christi jener Zeit (Kohle 1885/87, Paris Musee du Petit Palais; 1887 Lithographie, André Mellerio: Odilon Redon, Paris 1913, Nr. 71), als vielmehr mit vier Arbeiten aus dem Jahre 1890, die er »Yeux dos« nannte. Am Motiv dieses Kopfes mit geschlossenen Augen wird der Übergang vom Schwarz-Weiß zur Farbe nachvollziehbar in einer Bleistiftzeichnung (Privatbesitz Zürich), einer Lithographie (Mellerio 1913, Nr. 107) einem Pastell mit Öl (Privatbesitz Schweiz) und dem Ölbild (Musee d´Orsay Paris, vgl. dazu Ausst.-Kat. Odilon Redon, Winterthur und Bremen 1983/84, Abb. S. 174, 175, 190). Vor allem im Ölbild und der Lithographie gleicht die Physiognomie unserem Blatt auffallend. Sie zeigt denselben androgynen Zug, der alle Köpfe charakterisiert, nur daß auf die Neigung des Kopfes verzichtet wurde, und das Gesicht, der Form des Tuches angemessen, ganz senkrecht und frontal erscheint, wodurch sich die Herbheit des stillen Leids im Ausdruck verstärkt. In diesem Sinne sind auch alle Linien auf ein Äußerstes reduziert. Unser Blatt steht in seiner Ausformung des Visionären ganz aus dem Hell-Dunkel heraus in Verbindung mit den erwähnten Arbeiten an der Schwelle zu den folgenden Jahren, in der die Farbe immer mehr Raum in Redons Schaffen gewann.
Das Motiv des Tuches wird 1891 noch einmal aufgegriffen in der Lithographie »C´etait un volle, une empreinte«, allerdings mit bärtigem Christuskopf und geöffneten Augen (Mellerio 1913, Nr. 110). Im Gesichtstypus unserem Blatt sehr verwandt, die bartlosen Züge nur eine Nuance männlicher, erscheint der Christuskopf mit geschlossenen Augen wieder, als letztes Blatt der Folge »Versuchung des Heiligen Antonius« von Gustave Flaubert 1876 (Mellerio 1913, Nr. 157).

Text: Marie Ursula Riemann-Reyher, in: Das Berliner Kupferstichkabinett. Ein Handbuch zur Sammlung, hg. von Alexander Dückers, 2. Auflage, Berlin 1994, S. 424f., Nr. VII.75 (mit weiterer L

Material/Technik

Kohle und schwarze Kreide, teils gewischt und gekratzt, auf gelblichem Vélinpapier

Maße

Blattmaß: 43,6 x 33,0 cm

Links/Dokumente

Kupferstichkabinett

Objekt aus: Kupferstichkabinett

Das Kupferstichkabinett ist das Museum der Graphischen Künste bei den Staatlichen Museen zu Berlin. Es bildet dort das Sammlungs-, Kompetenz- und...

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