Für den zweiten Tafelteil der Vorbilder für Fabrikanten und Handwerker (vgl. Inv. 37.06-1991) schuf Schinkel diese bildhafte Zeichnung eines Glasgefäß-Arrangements in Anlehnung an barocke Stillleben. Den unteren Abschnitt füllen Umrisszeichnungen weiterer Glasarbeiten aus, die wohl als Orientierungshilfe für die Umsetzung gedacht waren. Die Formen der Gefäße gehen zumeist auf venezianische und niederländischdeutsche Vorlagen des 16. und 17. Jahrhunderts zurück. Besonders Gläser in venezianischer Fadentechnik gefielen dem preußischen Publikum, so dass der Verein zur Beförderung des Gewerbefleißes 1839 sogar die Entwicklung der kunstindustriellen Herstellungsweise dieser verlorenen historischen Manier als Preisaufgabe ausschrieb. Der neben dem venezianischen Fadenglas dargestellte Römer mit Beerennuppen am oberen Schaft wurde im begleitenden Textband wie folgt beschrieben: »Der daneben auf einem Fuße stehende Römer wurde nach einem ähnlichen alten größeren Exemplar, Fabrik-Artikel der Gernheimer Hütte der Herren Gebrüder Schrader ohnweit Minden.« (Zitat so textgetreu; vgl. auch Inv. 37.06-1991). Die grammatikalisch unvollständig gebliebene Erläuterung lässt zwei Interpretationen zu: Schinkels Zeichnung könnte auf ein Produkt der Gernheimer Glashütte (existierte von 1812 bis 1877) zurückgehen. Möglich wäre auch, dass Schinkels Entwurf eine historische »ähnlich alte größere« Vorlage zeigt, die vermittels der Vorbilder für Fabrikanten und Handwerker in Westfalen zum »Fabrik-Artikel« wurde.
Text: Nadine Rottau (2012)
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