„Das waren noch gute Zeiten, als der Jäger, wie hier mit einer ganzen Meute, in der Fremde herumziehen und sich etwas erjagen konnte. Unser Raubjäger ist eben bemüht, die Hunde von dem erlegten Hasen und Federwildpret abzuwehren.“ Wehmütigen Blicks auf ein vermeintlich liberales Jagdrecht früherer Jahre beschreibt Georg August Wilhelm Thienemann 1856 (S. 36, Kat. 125) im Werkverzeichnis des höchst einflussreichen Tier- und Jagddarstellers Johann Elias Ridinger eine nach dessen Zeichnung gefertigte Radierung. Ridingers Sohn Moritz Elias hatte sie im Todesjahr des Vaters unter dem Titel „Reisejäger“ in seine Stichfolge „Jaeger und Falkoniers mit ihren Verrichtungen“ aufgenommen (Kat. 66). Nun scheint sich die Szene keineswegs in (rechts-)freier Wildbahn abzuspielen, wie die Schilderung suggeriert. Vielmehr handelt es sich um eine Anhöhe in einem hochkultivierten Rokoko- Garten mit einem hohen Vasenpostament über weiter Landschaft. Hier ruht sich der Reise- oder vielleicht doch besser Raubjäger mit seiner dienstfertigen Hundemeute nach erfolgreichem Streifzug aus und zähmt den letzten noch seinem natürlichen Beutetrieb folgenden Jagdhund, derweil die anderen bereits vollständig domestiziert sind.
Text: Michael Roth in: Wir kommen auf den Hund. Werke aus fünf Jahrhunderten von Dürer bis Dieter Roth. Eine Sommerausstellung im Kupferstichkabinett, hg. von Hein-Th. Schulze Altcappenberg und Lydia Rosía Dorn, Berlin/Petersberg 2015, S. 80.
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