Von den frühbyzantinischen Pilgerfläschchen unterscheidet sich diese Ampulle in ihrer Form und dem bildlichen Dekor. Im Gegensatz zu den frühen Exemplaren, um deren schmalen Ausguss ein Lederband zum Tragen geschlungen war, besitzt sie eine breite Tülle mit zwei kleinen Henkeln. Die beiden Seiten der Ampulle tragen figürliche Darstellungen in flachem Relief. Einmal ist eine gemauerte Bogenarchitektur mit Turm- bzw. Kuppelbekrönung zu sehen. In der mittleren der drei Nischen liegt eine nimbierte Wickelleiche auf einem Sockel. Die Inschrift wird zu Ο Α(ΓΙΟC) / ΤΑ(ΦΟC) (Das heilige Grab) ergänzt. Wiedergegeben ist die Grabeskirche zu Jerusalem in ihrer zur Kreuzfahrerzeit belegten Gestalt. Die Darstellung des Leichnams Christi weist auf das historische Geschehen. Auf der anderen Seite schreiten drei Frauen, von denen die erste ein Salbgefäß trägt, auf den vor dem Grab Christi sitzenden Engel zu. Die Inschrift ist vielleicht als Η ΜΗΡΟ Φω(ΡΑΙ) (Die Salbenträgerinnen) zu lesen. Es wird vermutet, dass die bildlichen Darstellungen solcher Ampullen die Mosaikausstattung der kreuzfahrerzeitlichen Bauten am Heiligen Grab in Jerusalem widerspiegeln. Wie ihre frühbyzantinischen Vorläufer werden die Fläschchen den Pilgern des 12. Jahrhunderts zur Mitnahme einer geheiligten Substanz gedient haben.
Entstehungsort stilistisch: Palästina, Jerusalem
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