Die Darstellung wirkt wie das zufällige Standbild einer Bühnenaufführung. Die in aufwändiger Durchbruchsarbeit gestaltete Baldachinarchitektur erscheint wie in den Rahmen der Elfenbeinplatte eingestellt und erhöht den Schaukasten-Effekt.
Von rechts ziehen Männer, Frauen und Kinder mit Zweigen in den Händen aus der Stadt heraus, von links naht eine Gruppe von Aposteln. Ihnen voraus reitet Christus, dessen Gestalt von der völlig planen und ruhigen Fläche des steil aufragenden Berges umfangen wird. Die Einzelheiten im mittigen Bereich der Tafel sind nahezu freiplastisch gearbeitet. Zu Füßen des Einreitenden breiten Kinder Gewänder aus, während ein Knabe am Boden sitzt und bekümmert auf seinen herangezogenen Fuß blickt. Die Figur ist ein Bildzitat des in der pagan-römischen Antike populären Statuentypus des Dornausziehers (Spinario) und wird sowohl als Symbol eines antiken Idols, über das Christus triumphierend hinwegreitet, als auch zum Sinnbild für die Unschuld der Kinder, die beim Einzug den wahren Herrn erkannten, während ihre Eltern den Messias ans Kreuz brachten, gedeutet.
Die Arbeit zeigt zahlreiche schnitztechnische wie motivische Übereinstimungen mit der etwas kleineren Elfenbeintafel des Marientodes auf dem Einband der Münchner Handschrift Clm. 4453, dem Evangeliar Ottos III., so dass eine Entstehung vor der Wende des ersten Jahrtausend sicher ist.
Entstehungsort stilistisch: Konstantinopel
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