Das allseitig ausgearbeitete, kelchförmige Kapitell mit Fabelwesen besitzt eine nach unten abgeschrägte quadratische Deckplatte, der untere Abschluss ist nicht erhalten. Den Übergang vom Rund ins Quadrat verschleifen vier große und sehr plastisch ausgearbeitete Mischwesen, deren menschliche Köpfe mit langen Bärten, übergroßen Augen und kammartig nach oben stehenden Haaren die Ecken besetzen. Jeweils zwei Tierleiber gehen spiegelgleich von einem Kopf aus.
Ähnliche Mischwesen, die sich symmetrisch um einen Kapitellkörper ziehen bzw. die Struktur eines romanischen Kapitells durch ihre Anordnung und Gestalt nachahmen, sind im 12. Jahrhundert im ganzen Abendland weit verbreitet. Eine spezifische inhaltliche Bestimmung der Darstellungen verbietet sich in den allermeisten Fällen.
Die relativ grobe Bearbeitung und die weite Verbreitung der Motive erschweren eine genaue Einordnung des Kapitells. Die elsässische Provenienz scheint zunächst nur durch Herkunft und Material gestützt. Vergleichbare Köpfe mit Glotzaugen und Bärten lassen sich in dieser Region finden (z. B. Odilienberg, Hl.-Kreuz-Kapelle), doch ist das andernorts geläufige Motiv des Mischwesens aus Menschenkopf und zwei Tierleibern hier eher selten. Auch die verhältnismäßig starke Plastizität der Formen ist untypisch für die romanische Skulptur im Elsass.
(Auszug aus: Tobias Kunz, Bildwerke nördlich der Alpen. 1050 bis 1380. Kritischer Bestandskatalog der Berliner Skulpturensammlung, Petersberg, Michael Imhof Verlag 2014)
Entstehungsort stilistisch: Elsass
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