Die relativ flach gearbeitete, hagere Gestalt der stehenden Heiligen wendet sich leicht nach rechts, den Blick gesenkt. In der angewinkelten linken Hand hält sie einen stark zerstörten Gegenstand, wohl eine Schale. In der abgebrochenen rechten befand sich wahrscheinlich ein Löffel, mit dem sie Brei aus dem Gefäß schöpfte, wie die – allerdings nicht ganz eindeutigen– Ansatzspuren im Inneren der Schale nahelegen. Denkbar wäre zudem, dass sich zu den Füßen Elisabeths ein Kranker oder Krüppel befand, den sie gespeist hat; er könnte dem gerade im unteren Bereich erheblichen Substanzverlust zum Opfer gefallen sein. Doch ist dies nicht zwingend, da die karitative Geste auch dem Betrachter gegolten haben könnte.
Die 1235 heilig gesprochene Elisabeth (1207–1231), ungarische Prinzessin und Landgräfin von Thüringen, wurde im Mittelalter besonders in Marburg, wo sie bestattet wurde, in Eisenach, wo sie längere Zeit gelebt hatte, und in ihrer Geburtsstadt Kaschau (Košice/Kassa, Slowakei) intensiv verehrt. Der Deutsche Orden und vor allem die luxemburgischen Herrscher (Kaiser Karl IV. und Sigismund) förderten ihren Kult in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts. Karl IV. ließ ein Gemälde der Heiligen in der Heilig-Kreuz-Kapelle auf der Burg Karlstein aufstellen und schuf somit möglicherweise ein Vorbild für die Elisabeth-Verehrung in Burgkapellen. Die Berliner Figur stammt möglicherweise aus der Kapelle der Neuenburg bei Freiburg (Unstrut), wo sie seit 1994 als Dauerleihgabe gezeigt wird.
(Auszug aus: Tobias Kunz, Bildwerke nördlich der Alpen. 1050 bis 1380. Kritischer Bestandskatalog der Berliner Skulpturensammlung, Petersberg, Michael Imhof Verlag 2014)
Entstehungsort stilistisch: Sachsen
Historischer Standort: Freiburg a. U.
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