Der vollrund gearbeitete Apostel steht mit nach links ausladender Hüfte auf einer hohen, gebuckelten Basis. Der Oberkörper ist nach rechts gedreht, die linke Schulter leicht zurück genommen, der Kopf hingegen streng frontal ausgerichtet. Die Körperdrehung wird zudem durch die Andeutung eines sich durch den Stoff drückenden linken Knies verdeutlicht. In der eng anliegenden Linken befindet sich ein geschlossenes Buch, die weiter oben ansetzende Rechte ist verloren. Die heutige Hand mit dem Segensgestus, wurde später hinzugefügt. Die originale Anstauung des Mantelstoffs an dieser Stelle legt nahe, dass sich hier ursprünglich ein Attribut befunden hat. Wie die Haltung entspricht auch die Kleidung der geläufigen Apostelreihenikonografie: Die unbeschuhten Füße schauen aus einem bodenlangen Gewand mit schlichtem, fast waagerechtem Halsausschnitt hervor. Der Mantel ist von der linken Schulter quer über den Körper gezogen und unter dem rechten Arm eingeklemmt. In den von der rechten Hüfte herabfallenden Tütenfalten vereinen sich beide Mantelenden; auf der anderen Seite fällt der Stoff in reduzierten Kaskaden über den Arm. Quer über dem Unterleib bilden sich geknickte Schüsselfalten, die unterste geht in eine markante vertikal zum Boden führen- de Röhre über. Gerade das Faltensystem hat etwas Stereotypes. Auffällig ist die Gestaltung von Haar und Bart, die das schmale bis hagere Gesicht mit hohen Wangenknochen, hoher Stirn und fleischigen Lippen umkreisen. Das gescheitelte Haar ist oben strähnig, geht aber etwa auf halber Stirnhöhe in voluminöse, stark stilisierte Korkenzieherlocken über. Diese setzen sich auch als radial vom Kinn ausstrahlende Bartlocken fort und verleihen diesem somit ein markantes Aussehen. Die Ausarbeitung der Haare ist hier nicht sorgfältiger als auf der Rückseite, wo zudem Falten und eine vollständige Fassung anzeigen, dass die Figur auf Allansichtigkeit gearbeitet wurde.
(Auszug aus: Tobias Kunz, Bildwerke nördlich der Alpen. 1050 bis 1380. Kritischer Bestandskatalog der Berliner Skulpturensammlung, Petersberg, Michael Imhof Verlag 2014)
Entstehungsort stilistisch: Böhmen oder Schlesien
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