Der neunjährige Knabe und seine zweijährige Schwester sind nach der Art holländischer Bilder des 17. Jahrhunderts frontal in einer fensterartigen Öffnung plaziert, die oben rundbogig und nach vorn mit einer Balustrade abschließt. Beide sind durchaus vornehm gekleidet. Der Knabe blättert in einem reich illustrierten Buch mit Goldschnitt; während er im Lesen innehält, geht sein Blick auf den Betrachter als das Gegenüber. Die Schwester wirkt durch die etwas erzwungene kompositorische Hinzufügung am rechten Bildrand wie eine notwendige Zutat. Der Gestus geschwisterlicher Zuneigung befremdet angesichts der Beiläufigkeit, die der abgedrängten Schwester zukommt: ganz konventionelles, hierarchisches Denken zugunsten des Stammhalters.
Die Familie Behr-Behrenhoff, die besonders in Vorpommern ausgedehnte Besitzungen hatte und zu dem seit dem 12. Jahrhundert nachweisbaren, weitverzweigten, aus Niedersachsen stammenden Geschlecht der Behr gehört, wurde 1877 in den Grafenstand erhoben. Das drei Jahre zuvor entstandene Doppelbildnis der Geschwister drückt in seinem Anspruch schon die wohlsituierte Lage der Familie aus. Kaulbach hatte sie wohl wiederholt besucht, auch möglicherweise mehrere Personen porträtiert. Das Bild kam – offenbar durch Erbgang – aus der Familie von Behr in die ebenfalls uralte pommersch-mecklenburgische Adelsfamilie derer von Maltzahn. Angehörige auch dieser Familie wurden von Kaulbach um 1872 porträtiert. | Bernhard Maaz
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