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Nationalgalerie Alte Nationalgalerie [A II 818]
https://id.smb.museum/digital-asset/4929292 (Alte Nationalgalerie, Staatliche Museen zu Berlin CC BY-NC-SA)
Herkunft/Rechte: Alte Nationalgalerie, Staatliche Museen zu Berlin / Andres Kilger (CC BY-NC-SA)
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Spaziergänger (Der Überfall)

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Beschreibung

Die unterschiedlichen Titel des Werkes erschließen mehrere Ebenen seiner Interpretation. »Die rote Mauer«, so der junge Klinger in der Widmung einer Fotografie des Bildes an seine Eltern vom 22. Oktober 1878 (Stadtarchiv Naumburg, Klinger Nachlaß) – ist eine für jene Zeit bezeichnende ›rein malerische‹ und deutet auf den gewagten, harten Dreiklang von Rot, Grün und Blau. Die Träger dieser Farben – Mauer, Gras, Himmel – zeigen sich alle gleichermaßen einförmig, ereignislos; das Licht modelliert nicht, der Farbauftrag bleibt plakathaft flach, die monotone Geometrie der Fugen auf der brandneuen Ziegelmauer wird nicht pittoresk verbrämt. Dies alles ist einer Szenerie sehr gemäß, aus der alles ausgestülpt scheint, was sonst ›Landschaft‹ oder ›Natur‹ ausmacht. Sie sind durch die baumlose Öde städtischer Peripherie ersetzt: Einstiges Bauernland wurde der Bauspekulation der Gründerjahre preisgegeben, die indes vorerst nur vermocht hat, es zu verunstalten. Diese Einsamkeit ist trotz der Tageshelle und Sonnenglut unheimlich.
Der ursprüngliche Bildtitel »Spaziergänger« (so präsentiert auf der 52. Kunstausstellung der Königlichen Akademie der Künste, Ausst.-Kat., Berlin 1878, Kat.-Nr. 399) ist zweifellos als Plural gemeint und somit ironisch. Ein weiterer Titel, »Der Überfall«, macht darauf aufmerksam, daß der junge Mann – in einem frühen Zustand des Bildes von einer Frau begleitet – von Ganoven mit Stöcken bedroht wird weil auch er der Unterwelt angehört, hat er den Revolver gezogen (eine damals ganz neue, amerikanische Erfindung). Der Vorgang könnte einem Zeitungsbericht oder einem Kolportageroman entnommen sein, und er ist vorbehaltlos gegenwärtig, ohne alle romantische Tragik; nicht einmal in Architekturformen oder stilisierten Gebärden deutet Klinger eine historische Dimension an. Das eigentliche Thema des Bildes ist jedoch, worauf eine alte französische Titelfassung »Cerné« (»Umzingelt«; G. de Chirico, Max Klinger, in: Il Convegno, Mailand, 10.11.1920, S. 32–44, abgedruckt in: Max Klinger, Wege zum Gesamtkunstwerk, Ausst.-Kat., Hildesheim 1984, S. 141) hindeutet: die Bedrohung, die akute Angst. Diese wird anschaulich in der räumlichen Spannung zwischen den wie regungslosen Gestalten, die sich der Gruppierung versagen. Sie scheinen zur Vereinzelung verurteilt. Das auffallend überstreckte Bildformat erlaubt große Abstände, die durch die langen Schlagschatten unterstrichen werden und die der Blick nicht ohne Sprünge überwindet. Die Leere wird zum Ausdrucksträger des schleichenden Entsetzens am ›toten Punkt‹ des Geschehens. Denn wie das Drama ausgehen wird, bleibt, entgegen der klassischen Forderung nach dem ›fruchtbaren Moment‹, offen. All dies wird man in den Bildern surrealistischer Maler wiederfinden.
Nicht zuletzt der Umschlag von Lapidarität und Nüchternheit ins Unheimliche (»Die Mauer macht den Eindruck, als bedeute sie die Grenze der Welt«) veranlaßte Giorgio de Chirico, in Klinger »den modernen Künstler schlechthin« zu erblicken (beides zit. nach: ebd. S. 140 und 142). »Spaziergänger« ist ein Frühwerk des 21jährigen Gussow-Schülers Max Klinger. In seinen Berliner Jugendjahren, die von einer fast beispiellos explosiven Produktivität erfüllt waren, wurzelt sowohl der sozial-naturalistische wie der symbolistische Zweig seiner Kunst. Während aber dieser sich fortlaufend entfaltete, wurde jener – ungeachtet des Aufsehens, das »Spaziergänger« bei seiner Ausstellung 1878 machte – erst im radierten Zyklus »Dramen« (1883) wiederaufgenommen und blieb auf das graphische Werk beschränkt. | Claude Keisch

Material/Technik

Öl auf Holz

Maße

Höhe x Breite: 37 x 86 cm; Rahmenmaß: 59 x 107,5 x 9 cm

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Nationalgalerie

Objekt aus: Nationalgalerie

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