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Nationalgalerie Alte Nationalgalerie [A I 606]
https://id.smb.museum/digital-asset/4466631 (Alte Nationalgalerie, Staatliche Museen zu Berlin CC BY-NC-SA)
Herkunft/Rechte: Alte Nationalgalerie, Staatliche Museen zu Berlin / Klaus Göken (CC BY-NC-SA)
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Mühle an der Couleuvre bei Pontoise

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Beschreibung

Als eines der wenigen auf das Jahr genau datierbaren Werke von Cézanne entstand dieses Bild während eines halbjährigen Aufenthalts in Pontoise nahe Paris, in der Nähe des älteren Freundes Camille Pissarro, der ihn einige Jahre zuvor auf den impressionistischen Weg gewiesen hatte. »Bescheiden und riesengroß« nannte ihn Cézanne voller Verehrung bis zuletzt (Schreiben an Émile Bernard 1905, in: P. Cézanne, Briefe, Zürich 1962, S. 295). Pissarro selbst hat mindestens zweimal diese Wassermühle – eine von vielen in dieser getreideverarbeitenden Gegend – gemalt: le Moulin des Etannets an der Rue des deux ponts, die im Hintergrund von Cézannes Bild verlaufen dürfte. Wie immer hat Cézanne sein Motiv überraschend getreu wiedergegeben, wenn auch das – noch heute erhaltene – Gebäude stark in die Höhe gezogen erscheint. In der strengen, entkörperlichenden Frontalansicht lassen sich die Fenster nachzählen, und sogar die Entenhütte vorn ist auf einem alten Foto wiederzuerkennen. Daß ihre Bewohner auf dem Wasser schwimmen, erscheint befremdlich bei einem Maler, der sonst alle Lebewesen aus seinen Landschaften ausschloß; aber dieses Motiv mag ein Gruß an Pissarro sein, der Alltagsmotive liebte.
Sachtreue und Formstrenge schließen einander nicht aus. Alle Raumtiefe scheint in die Senkrechte gehoben. Die Vordergrundfläche erstreckt sich ohne Unterbrechung von Bildrand zu Bildrand, die parallelen Waagerechten verkürzen den Bildraum. Jegliches ›einführende‹ Motiv, jedes ›Repoussoir‹ fehlt, der Raum erscheint nicht betretbar. Die Illusion einer Raumtiefe tritt zurück gegen die Erfahrung der Fläche. Das konstruktive Wechselspiel von Senkrechten und Waagerechten ist typisch für Cézannes Stil um 1880. Dabei schwanken alle Senkrechten leise. Die Waagerechten gewinnen im Vordergrund, wo sie in die Schräge verschoben werden, an Raumvolumen. Farbkurven, die schwellende Bodenformen suggerieren, wiederholen sich lockerer in den Wolken. Solches Verstreben der Bildfläche durch Wiederholung und Variation ist bei Cézanne über Jahrzehnte hin zu beobachten. Cézanne meinte, »daß die Tiefe sich aus einem Aneinandersetzen der vertikalen an die horizontalen Flächen ergibt, und das eben ist Perspektive« (zit. nach: Jean Royère, Paul Cézanne, Erinnerungen, in: Kunst und Künstler, 10. Jg., 1912, S. 485).
Dabei neigen sich alle Senk- und Waagerechten leicht in die Schräge, als sei ihr Platz nicht endgültig festgelegt. Dieser Eindruck wird verstärkt durch das offene Nebeneinander einzelner Farbstriche, zwischen denen die hell grundierte Leinwand erkennbar bleibt. Die Farbigkeit der Mühle bei Pontoise beruht allein auf einem stets wiederholten Wechsel von Ocker, Grün und Blau in einigen wenigen Stufungen. Des Malers Lieblingswort vom ›Modulieren‹ der Farbe (er setzt dies dem üblichen ›Modellieren‹ der Formen gegenüber) wird hier anschaulich. Aber »bei Cézanne spottet die Mannigfaltigkeit, wie er seine kleinen Pinselstriche setzt, aller Systeme und bleibt doch im höchsten Sinne systematisch. Der Instinkt, der ihn immer geleitet, gab ihm auch hier die unendliche Fülle« (J. Meier-Graefe, Entwicklungsgeschichte der modernen Kunst, Bd. 1, Stuttgart 1904, S. 169). Jeder der Striche und Kurven bleibt eigenwertig – einer Schrift vergleichbar – auf dem hellen Malgrund stehen und will sich selbst dann nicht zur dichten Schicht schließen, wenn zwei, drei Strichlagen einander überkreuz begegnen. Sie scheinen sich unter dem Auge des Beschauers zum Bild zu formieren: Ein niemals endendes, paradoxerweise zeitloses Werden wird suggeriert, das sich den gewohnten Einteilungen nach ›vollendet‹ und ›unvollendet‹ entzieht. Obwohl dieses Bild zu jenen gehört, die Cézanne bald nach ihrer Entstehung aus der Hand gab und ausstellen ließ, bleibt eine letzte Glättung aus, das Malen wird als ein niemals ganz abschließbarer Prozeß erlebbar. | Claude Keisch

Material/Technik

Öl auf Leinwand

Maße

Höhe x Breite: 73,5 x 91,5 cm; Rahmenmaß: 92 x 108,5 x 6 cm

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Objekt aus: Nationalgalerie

Die Nationalgalerie umfängt einen Kosmos der Kunst vom 19. Jahrhundert bis in die unmittelbare Gegenwart. Wer sich in ihre Ausstellungen begibt,...

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