Nach dem mit formaler Konsequenz gestalteten »Porträt des Bürgermeisters Klein« (Nationalgalerie, Inv.-Nr. A I 928), eines Verwandten, wiederholte Leibl in einem Auftragswerk noch einmal die dort ausprobierten Gestaltungsmittel. Das Porträt des Appellationsrates Stenglein (Lebensdaten unbekannt) ist ebenso frontal gegeben, aber in lockererer Malweise und als ein Brustbild. Eine andere Version des Gemäldes befindet sich im Museum der Stadt Sindelfingen (vgl. Wilhelm Leibl zum 150. Geburtstag, Ausst.-Kat., München 1994, Kat.-Nr. 62). Ausschließlicher als Courbet stellte Leibl den Menschen in den Mittelpunkt seiner Kunst. Die reine Wirklichkeit des Menschen will er, ohne psychologisierende Deutung, ohne ›Seelenmalerei‹ wiedergeben; und diese Wirklichkeit möchte er allein mit der Farbe erfassen. Die puristische Konzentration auf das Gesicht, mitunter auch auf die Hände, als den eigentlichen Ausdrucksträgern des Menschen, knüpft an alte Traditionen an. Um 1870 bedeutete sie zugleich eine Absage an schwatzhafte Detailfreudigkeit. Courbet und Leibl waren sich einig in der Ablehnung der herrschenden Historienmalerei wie der sentimentalen Genrebilder. | Angelika Wesenberg
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