Otto Wichmann, der in einer Berliner Bildhauerfamilie aufwuchs, hat als Knabe den Streit um die 1842 hier ausgestellten belgischen Bilder sicher bewußt erlebt. Ludwig Pietsch erinnerte sich später: »Die Wirkung der belgischen Meisterwerke auf die Künstler und auf die ganze gebildete Welt Berlins war ungeheuer. […] Erbitterte Meinungskämpfe unter uns jungen, wie unter den reiferen und älteren Künstlern wurden entflammt. Die unter den ersteren, welche sich rückhaltlos für die Belgier begeisterten, ließen sich die langen Haare radikal kurz schneiden, wie sie die spanischen und niederländischen Prinzen und Edlen auf beiden Bildern trugen. Mit Hohn und Feindschaft blickten wir auf die langhaarigen ›Hussiten‹« (L. Pietsch, Aus der Heimat und der Fremde, Berlin 1903, S. 61). Es scheint, als habe Wichmann für das 1856 in Rom gemalte Bild bewußt diesen modernen Künstlertyp gewählt. Wichmann läßt Paolo Veronese, einen italienischen Maler der Spätrenaissance, unbekümmert die Farbskizze zu der 1563 für das Refektorium des Klosters San Giorgio Maggiore ausgeführten »Hochzeit zu Kanaa« (heute Musée du Louvre, Paris) vor dem mißtrauischen Prior und seinen Mönchen aufstellen. Diese verkörpern sichtbar den fanatischen Geist der Restaurationszeit. Wenige Jahre später mußte sich Veronese mit einer ähnlich festlich-heiteren Komposition, dem »Gastmahl im Hause des Levi« (1573) für Santi Giovanni e Paolo in Venedig (heute Gallerie dell’Accademia, Venedig), vor dem Inquisitionstribunal verantworten. So ist denn auch ein Thema der dargestellten Szene das Verhältnis zwischen dem Künstler und der politischen Macht. | Angelika Wesenberg
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