Friedrich Rückert (1788–1866), Lyriker und Übersetzer orientalischer Literatur, war Professor für orientalische Philosophie in Erlangen, danach in Berlin. Seit 1848 lebte er zurückgezogen auf dem Gut Neuses bei Coburg. Er hinterließ ein überreiches Werk voll kunstvoller Sprachspiele und schlichter Weltweisheit.
Bertha Froriep, Tochter des Weimarer Mediziners und Verlegers Robert Froriep, lebte im Hause des Vaters und hatte Anteil an dessen freundschaftlichen Beziehungen zu Friedrich Rückert, den dieser in den vierziger Jahren in Berlin kennengelernt hatte. Dessen Sohn August heiratete Berthas Schwester Alma. Das Bildnis entstand zwei Jahre vor dem Tode des Dichters, zwischen dem 5. und 10. März 1864 bei einem Besuch der Malerin auf Neuses, wo Rückert mit Sohn und Schwiegertochter lebte. Es zeigt den 76jährigen ›Brahmanen von Neuses‹ mit langem Haar und gelblich bleicher, lederner Haut, ernst und schmallippig, mit der nervigen Energie eines Sektenpredigers und einem unfrohen Ausdruck, den der trockene Farbauftrag ›alla prima‹ und die steife Zeichnung noch unterstreichen. Man vergleiche das von Schnorr von Carolsfeld gezeichnete Bildnis des Dreißigjährigen (1818, Kupferstichkabinett der Akademie der bildenden Künste Wien), in welchem, bei vollblütigerer Vitalität, eine ähnlich willensbetonte Konzentration den Ausdruck verfinstert.
Rückert bedankte sich für das Bild mit einem elfzeiligen Gedicht: »Du hast mein Bild mit Liebe gemalt, / Drum ist es so schön gelungen: / Denn wo aus dem Irdischen Schönes strahlt, / Das ist aus Lieb’ entsprungen; Davon die Spur / Trägt jede Flur / In Farbenabschattungen; / Das ist die Liebe der Natur; / Und Kunst, die ihr nacheifert nur, / Hat gleichen Sieg errungen, / Mit Liebe den Stoff bezwungen.«
1884 malte Bertha Froriep postum den Dichter abermals, diesmal in ganzer Figur am Schreibtisch sitzend (ehemals Besitz der Stadt Coburg, im Zweiten Weltkrieg zerstört; eine Zweitfassung von 1888 im Stadtarchiv Schweinfurt). Der Kopf dieser Darstellung ist eine genaue Wiederholung des Bildnisses von 1864, von dem es zwei weitere Repliken gab; eine davon, 1866 für die Söhne des Dichters ausgeführt, befindet sich heute in Neuses bei Coburg. (Auskünfte von Rudolf Kreutner, Stadtarchiv Schweinfurt; dort Nachlaß Rückert und darin Nachlaß Berta Froriep). | Claude Keisch
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