Auf den ersten Blick wirkt das eindrückliche, ganz in Sepiatönen gehaltene Bild »Kopf eines alten Mannes« von Pauline Lehmaier wie eine Zeichnung auf braungetöntem Papier. Durch den nach unten geneigten Blick des bärtigen Alten eignet dem Bild etwas zutiefst Kontemplatives. Es wurde 1908 durch die Gustav-Müller-Stiftung aus der Internationalen Kunstausstellung in Rom zusammen mit Reinhold Max Eichlers Bildern »Blühende Zeit« (Inv.-Nr. A I 1046) und »Apfelkammer« (Kriegsverlust) sowie Max Roeders Gemälde »Heiliger Hain« (Inv.-Nr. A I 1048) erworben. Die heute biographisch kaum mehr faßbare Pauline Lehmaier erzielte mit ihrem Werk auf der Ausstellung nur ein Zehntel des Verkaufswerts ihrer männlichen, damals bereits etablierten Kollegen. In zeitgenössischen Kunstzeitschriften fanden ihre Arbeiten so gut wie keinen Niederschlag. Im Briefwechsel mit dem ihr freundschaftlich verbundenen Schriftsteller Michael Georg Conrad (1846–1927) klingt ein ausbleibender wirtschaftliche Erfolg noch in den 1920er Jahren an. Frustration über das Auswahlkomitee der Jahresausstellungen im Münchner Glaspalast lassen sich herauslesen. Und stolz wird 1922 die Rezension einer Ausstellung im Frankfurter Kunstverein dem Freund geschickt: »Den stärksten Eindruck« heißt es da, mache Lehmaier. »In ihren Landschaften, Köpfen und Stilleben wirkt sich eine starke und fesselnde technische Begabung aus. Aber nicht nur allein Äußerliches ist ihr wesentlich. Sie kann zeichnen. Sie hat Schule und Geschmack, Sicherheit und Granzie« (Monacensia, Literaturarchiv und Bibliothek München, MGC B 571). | Regina Freyberger
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