Vermutlich nach 1920 wandte sich Karl Leipold neben der Landschaft auch der figürlichen Malerei zu und ließ sich unter anderem von literarischen Stoffen anregen. Der Künstler, so der Hamburger Sammler Max Nonne, war in diese Arbeiten »am meisten verliebt« (zit. nach: Karl Leipold, Ausst.-Kat. Itzehoe, 1989, S. 64). Doch die Hamburger Käufer, die zwischen 1900 und 1925 vornehmlich Leipolds Arbeiten erwarben, konnten sich mit diesen späten Ablegern idealistischer Gedankenmalerei wenig anfreunden. Der vorliegenden Hafenszene aus dem Nachlaß des Künstlers eignet ein besonders verträumter Zug. Die Darstellung des mächtigen Schiffs, das mit windgeblähten Segeln in den belebten Hafen einläuft, während am Kai ein Bettler auf ein reiches Paar tritt und eine prächtig gekleideten Dame von einem alten Würdenträger empfangen wird, könnte eine Märchenszene vorstellen. Ähnliche Motive waren 1933 auf der Leipold-Ausstellung im ehemaligen Kronprinzenpalais in Berlin und 1942 auf der großen Einzelschau in München zu sehen. Auch in der Komposition mit dem Bild der Nationalgalerie vergleichbar, ist das Gemälde »Ostindienfahrer« (vgl. 16 Gemälde aus der Sonderschau Karl Leipold, München 1942, Taf. o. Pag.), so daß es sich bei dem vorliegenden Bild möglicherweise um das 1933 gezeigte Gemälde »Der Westindienfahrer« handeln könnte (Karl Leipold, Ausst.-Kat., Berlin 1933, Nr. 32). | Regina Freyberger
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