Während seiner ersten Reise nach Italien weilte Karl Friedrich Schinkel 1803 in Istrien, wo er auch den Küstenort Piran besuchte. Dessen am Meer gelegener Dom beeindruckte ihn: »Auf einem Felsen, der von der Stadt aus ins Meer sich streckt, steht der Hauptdom der Stadt und macht mit seinem hohen Turm […] eine herrliche Wirkung« (K. F. Schinkel, Reisen nach Italien, Berlin 1979, S. 38). 1813 begann Schinkel mit »Gotischer Dom am Wasser« (Nationalgalerie, Inv.-Nr. A III 842) eine Reihe von Dom-Bildern; zwei Jahre später entstand »Gotische Kirche auf einem Felsen am Meer«. Dargestellt ist rechts eine Gruppe mittelalterlich gekleideter Herren, die auf einen Hafen zureiten. Soeben passieren sie ein am Wege stehendes gotisches Denkmal, das Schinkel der Hallenser Betsäule von 1455 nachempfand. Vom Meer scheint stürmischer Wind herüberzuwehen. Über dem Felsen am Wasser erhebt sich majestätisch eine Kathedrale, als sei sie dem Gestein entwachsen. Die tiefstehende Sonne bleibt dahinter verborgen, ihr Licht umstrahlt das filigrane Gebäude.
Schinkels Dom-Bilder spiegeln die politische und geistige Situation in Deutschland während der Freiheitskriege. In dieser Zeit entwickelte der Künstler eine Vorliebe für altdeutsche Motive und die gotische Baukunst, von der damals angenommen wurde, sie sei deutschen Ursprungs. Mit dem Erwerb des Gemäldes im Entstehungsjahr 1815 begann der Berliner Bankier Joachim Heinrich Wilhelm Wagener seine Sammeltätigkeit. Eine formatgleiche Kopie eines unbekannten Künstlers der Schinkel-Zeit befindet sich in Privatbesitz. | Birgit Verwiebe
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