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Gemäldegalerie Malerei Porträt [18A]
https://id.smb.museum/digital-asset/5219571 (Gemäldegalerie, Staatliche Museen zu Berlin CC BY-NC-SA)
Herkunft/Rechte: Gemäldegalerie, Staatliche Museen zu Berlin / Christoph Schmidt (CC BY-NC-SA)
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Bildnis eines jungen Mannes (Portrait of a Young Man)

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Beschreibung

Dem sizilianischen Maler Antonello da Messina wird heute ein gutes Dutzend kleinformatiger männlicher Portraits zugeschrieben, von denen etwa die Hälfte signiert ist. Ihre Entstehung dürfte sich auf das letzte Jahrzehnt seines Schaffens beschränken, also kaum vor 1470 anzusetzen sein. Die genauen Jahresangaben auf den vom Künstler selbst datierten vier Bildnissen reichen von 1474 auf dem vorliegenden Portrait bis 1478 (siehe Kat.Nr. 18). Als frühestes datiertes Bildnis nimmt die Darstellung des jungen Mannes in Rot innerhalb der antonellianischen Portraitgalerie eine Schlüsselstellung ein. Immer wieder hat es als Anhaltspunkt gedient, um auch die nicht datierten Bildnisse des Sizilianers chronologisch zu ordnen. Typisch für Antonellos Portraitkonzeption ist der nahsichtige Büstenausschnitt des Jünglings, der den Betrachter über eine steinerne Brüstung hinweg direkt anblickt und von einem einfarbig dunklen Grund hinterfangen wird. Die hohe Ausführungsqualität wird durch den heutigen Erhaltungszustand, insbesondere den partiellen Verlust der oberen Malschichten und einen dicken gelblichen Firnis, etwas beeinträchtigt. Mit seinem offenbar kaum die 20 Jahre überschreitenden Alter zählt der Dargestellte zu den jüngsten der von Antonello portraitierten Personen. Das jugendlich glatte Gesicht löst sich aus dem Dunkeln, wobei die rechte Wange und der Hals deutlich verschattet sind. Das glatte, dunkelrot-bräunliche Haar ist über der Stirn leicht nach beiden Seiten auseinandergestrichen und fällt über die Ohren. Die Lippen sind etwas geöffnet, als solle in dieser Darstellung – im Gegensatz zu Antonellos sonst eher unbewegten, zeitlosen Bildnissen – ein bestimmter Augenblick erfasst werden. Savettieri hat in diesem Zusammenhang von einem Ausdruck der Erwartung und des Innehaltens gesprochen (Savettieri 1998). Die Augen sindauf den Betrachter gerichtet, die Lider leicht gesenkt, der Ausdruck wirkt ernst. Der direkte Blick aus dem Bild, die Begegnung eines wahrnehmenden Individuums mit seinem betrachtenden Gegenüber, der eigentümliche Zustand gegenseitiger Präsenz (Neumeyer 1964, S. 68–69) unterscheiden Antonellos Bildnisse von denjenigen seines Zeitgenossen Giovanni Bellini aus Venedig (siehe Kat.Nr. S 12). Schon der venezianische Kunstkenner Marcantonio Michiel hob die große Kraft und Lebhaftigkeit seiner Portraits hervor, die sich besonders in den Augen mitteile: »Sono a oglio, in uno ochio e mezo, molto finidi, et hanno gran forza et gran vivacità, et maxime in li occhi« (Frimmel Hg. 2000, S. 51; »Sie sind mit Ölfarbe [gemalt], mit anderthalb Augen [d. h. im Dreiviertelprofil], sehr fein ausgeführt, und voller Kraft und Lebhaftigkeit, am meisten in den Augen«; Übers. SH). Marle sah sich vom unverwandten Blick des Jünglings gar zu der Deutung angeregt, es handele sich um einen jungen Mann von anscheinend starkem und resolutem, aber schwierigem Charakter (Marle 1923–1938, Bd. 15, S. 506). Diese recht weitgehende Interpretation zeigt, welches Ausdruckspotential man dem Bildnis bereitwillig zuerkannte. In dieselbe Richtung weist auch die Aussage von Boehm, in ihm nehme »der Ausdruck [...] von der Person Besitz. Er ist nicht an ihr zu beobachten, sie deutet sich in ihm, wird damit identisch. Was Antonello jetzt leistet, ist die Veranschaulichung eines Individuums in seinem Körper« (Boehm 1985, S. 149). Bislang ist es nicht gelungen, auch nur einen der so unterschiedlichen Charakterköpfe von Antonellos Portraits eindeutig zu identifizieren. Von Michiel sind lediglich zwei Namen überliefert (Frimmel Hg. 2000, S. 51), wobei diese den heute noch existierenden Bildern nicht zweifelsfrei zugewiesen werden können. Bei beiden, dem Juwelenhändler Michele Vianello und dem Seidenhändler Alvise Pasqualini, handelt es sich um Angehörige der venezianischen cittadinanza, einer Schicht, die zwischen den nobili und der normalen Bevölkerung stand (Puppi 1983, S. 269, 271). Zu Herkunft und Identität des hier Dargestellten lässt sich bislang nur sagen, dass er nach derselben typisch venezianischen Mode gekleidet ist, wie sie etwa auch der junge Venezianer auf dem Portrait von Giovanni Bellini trägt (Kat.Nr. S 12). Bei Antonellos Jüngling ist der Ansatz eines Ärmels sichtbar, der von der Bildkante überschnitten wird. Über der Brust ist der schwere Stoff großzügig in mehrere äußerst plastisch modellierte, unterschiedlich rhythmisierte Faltenbahnen gelegt. Der einfache Stehkragen ist mit einer roten Schnur durch eine Öse zusammengehalten, darüber blitzt als leuchtender weißer Akzent der Kragen des Leinenhemdes auf. Die schwarze Kopfbedeckung, eine sogenannte Sendelmütze (ital. cappuccio, venez. capuzzo), verschmilzt mit dem dunklen Hintergrund, während die Sendelbinde an der rechten Schläfe entlang nach unten über die Brust fällt, einen markanten Schlagschatten auf die Schulter wirft und damit der Büste mehr Körperlichkeit verschafft. Trotz aller Plastizität der Figur ist ihr Umraum freilich auf ein Minimum begrenzt, nach hinten verliert sie sich sofort im undurchdringlichen Dunkeln, vorn ist sie durch die steinerne Brüstung greifbar begrenzt. Auf deren vorderer Fläche klebt, nur für den Betrachter lesbar und offensichtlich an diesen adressiert, ein kleiner Papierzettel, dessen linke obere Ecke sich bereits von dem Tropfen Siegelwachs abzulösen scheint, mit dem er befestigt ist. Auf dem mehrfach geknickten Bogen ist das Jahr der Bildentstehung verzeichnet: 1474. Darunter steht auf Latein zu lesen: »Antonellus aus Messina hat mich gemalt.«Fast alle Signaturen des Sizilianers sind auf solchen cartellini angebracht. So konnte der Maler, unabhängig vom Sujet, seinen Namen wie auf einem Etikett ins Bild integrieren (vgl. Burg 2005, S. 39). In der hier vorliegenden Form hat der wie ein Brief aufgefaltete und zudem sichtbare Spuren einer ehemaligen Versiegelung tragende Zettel jedoch einen zweifachen Sinn: Der Gemalte und zugleich auch sein Bildnis, also das Gemälde als Ganzes, haben dem Betrachter eine Nachricht über die Identität ihres Autors hinterlassen. Sicherlich hat Antonello die Nutzung der den Bildraum begrenzenden Brüstung als Träger selbstreferentieller Botschaften von niederländischen Vorbildern wie Jan van Eyck übernommen. Nach seiner Ausbildung bei dem neapolitanischen Maler Colantonio (um 1420 – nach 1460) wird Antonello am Hof Alfonsos I. von Aragon Gelegenheit gehabt haben, Werke van Eycks im Original zu studieren. Auf diesen Umstand hat schon Vasari hingewiesen, wenn auch seine Behauptung, Antonello habe die Technik der Ölmalerei bei dem Meister in Brügge höchstpersönlich erlernt und diese nach seiner Rückkehr in Italien eingeführt, nicht haltbar ist (Bettarini/Barocchi Hg. 1966–1987, Bd. 3, S. 306–307). Technische Untersuchungen haben gezeigt, dass Antonello allenfalls indirekte Kenntnisse der niederländischen Ölmalerei hatte, auf diesem Gebiet also nicht nach Anleitung arbeitete, sondern eher experimentierte (Dunkerton 1999; Dunkerton 2000). In den Augen Friedländers war er dennoch der einzige würdige Nachfolger van Eycks (Friedländer 1924–1937, Bd. 1, S. 161). Bisher ließ sich nicht klären, ob das vorliegende Bildnis noch in Messina oder bereits in Venedig entstand, wo sich der Maler vielleicht schon gegen Ende des Jahres 1474, in jedem Fall aber seit 1475 bis mindestens März 1476 aufhielt. In dieser Frage könnte auch die Holzart von Bedeutung sein: Während sich Antonello in Venedig vor allem Pappel-, Eichen- und Lindenholzes bediente, entstanden sämtliche auf Nussbaumholz gemalten Tafeln (Kat.Nr. 18), zu denen, wie eine erneute Prüfung ergab, wahrscheinlich auch dieses Bild gehört (Lorenz 2009, S. 6), in Messina oder Süditalien (Lucco 2006, S. 20). Antonello gelang es – vielleicht über bereits bestehende Kontakte zur venezianischen Kolonie in Messina –, sich in der Serenissima neben der Ausführung von zwei prestigeträchtigen Aufträgen für Altarbilder vor allem auch als Maler kleinformatiger Portraits einen Namen zu machen. In dieser Disziplin musste er sich – anders als bei den großformatigen Altartafeln – kaum gegen einheimische Konkurrenten durchsetzen. Vielmehr war er es, der der venezianischen Portraitmalerei für Jahrzehnte Impulse zu geben vermochte. Mit seinen Bildnissen männlicher Patrizier hinter einem Parapetto und vor einfarbigem, dunklem Fond etablierte sich in Venedig ein Typus, der sich über Giovanni Bellini (Kat.Nr. S 12), Francesco Bonsignori und Alvise Vivarini bis hin zu Lorenzo Costa halten sollte. Der Ruf, den sich Antonello als Bildnismaler erworben hatte, verbreitete sich schnell über die Lagunenstadt hinaus. So versuchte der Herzog von Mailand, Galeazzo Maria Sforza, den sizilianischen Maler Anfang März 1476 in der Nachfolge des verstorbenen Bildnismalers Zanetto Bugatto als seinen Hofkünstler zu verpflichten. Grund hierfür war »eine von einem sizilianischen Maler nach dem Leben wiedergegebene Figur, […] die sehr gefallen hat« und sich im Besitz seines Bruders, des Herzogs von Bari, befand (Ausst.-Kat. Rom 2006, S. 361, Dok. XXX; Übers. SH). Aus unbekannten Gründen kam es jedoch anders, und Antonello kehrte spätestens im Sommer desselben Jahres wieder in seine sizilianische Heimat zurück, wo er drei Jahre später verstarb. Sabine Hoffmann in: Keith Christiansen und Stefan Weppelmann (Hg.), Gesichter der Renaissance. Meisterwerke italienischer Portrait-Kunst, Ausst.-Kat. (Berlin, Bode-Museum, 25.08-20.11.2011 und New York, Metropolitan Museum of Art, 19.12.2011-18.03.2012), München, Hirmer Verlag, 2011, S. 337-339. Provenienz: 1785 Slg. Martinengo, Venedig (?); 1801 Slg. Alexander Hamilton-Douglas, Duke of Hamilton, Hamilton Palace/Glasgow; Kunsthandel Paris; Juni 1889 durch Charles Sedelmeyer für die Gemäldegalerie erworben. Referenzen: Lanzi 1834, Bd. 3, S. 29 Luigi Lanzi, Storia pittorica della Italia. Dal risorgimento delle belle arti fin presso al fine del XVIII secolo, 6 Bde., Florenz 1834 Waagen 1854, Bd. 3, S. 302 Gustav Friedrich Waagen, Treasures of Art in Great Britain. Being an Account of the Chief Collections of Paintings, Drawings, Sculptures, Illuminated Mss., 3 Bde., London 1854 Bode 1891, S. 172 Wilhelm Bode, „Der ‚Junge Venezianer’ von Antonello da Messina in der Berliner Galerie, gestochen von E. M. Geiger“, in: Jahrbuch der Königlich-Preussischen Kunstsammlungen, 12, 1891, S. 171-172 Bottari 1939, S. 77–78 Stefano Bottari, Antonello da Messina, Messina/Mailand 1939 Mandel 1967, S. 94–95 Gabriel Mandel (Hg.), L’opera completa di Antonello da Messina, Mailand 1967 Zappia, in: Ausst.-Kat. Messina 1981/82, S. 112–113 Antonello da Messina, hg. v. Alessandro Marabottini und Fiorella Sricchia Santoro, Ausst.-Kat. Messina 1981/82, Rom 1981 Puppi 1983, S. 272 Lionello Puppi, “Il viaggio e il soggiorno a Venezia di Antonello da Messina”, in: Museum Patavinum, 1, 2, 1983, S. 253-282 Sricchia Santoro 1986, S. 103, 160 Fiorella Sricchia Santoro, Antonello e l’Europa, Mailand 1986 Wright 1987, S. 184–185, 188–189, 191 Lucco 1989–1990, Bd. 2, S. 440–442 Wright, in: The Dictionary of Art, 1996, Bd. 2, S. 180 The Dictionary of Art, hg. v. Jane Turner, 34 Bde., New York 1996 Barbera 1998, S. 86–87 Gioacchino Barbera, Antonello da Messina, Mailand 1998 Savettieri 1998, S. 123 Chiara Savettieri, Antonello da Messina, Palermo 1998 Puppi 2004, S. 159 Lionello Puppi, “Antonello da Messina a Venezia”, in: Gennaro Toscano und Francesco Valcanover (Hg.), Da Bellini a Veronese. Temi di arte veneta, Venedig, 2004, S. 155-175 Lauber 2005, S. 51–52 Rosella Lauber, “A Venezia ne dipinge almeno 20. Però oggi di Antonello, un solo quadro rimane in città”, in: Venezialtrove, 4, 2005, S. 29-44, 49-61. Lucco 2006, S. 210 (mit älterer Literatur) Mauro Lucco, Antonello da Messina. Das Gesamtwerk, Stuttgart 2006 Lorenz 2009 Stefanie Lorenz, Antonello da Messina, Kat.Nr. 18 A, Untersuchungsbericht, 10.12.2009, Staatliche Museen zu Berlin, Gemäldegalerie, Restaurierung, Archiv (unpubliziert) SIGNATUR / INSCHRIFT: .1474./Antonellus messanus / me pinxit

Material/Technik

Pappelholz

Maße

Rahmenaußenmaß: 52,5 x 46 cm, Rahmenaußenmaß (Höhe x Breite): 52.5 x 46 cm, Bildmaß: 34,1 x 27,1 cm, Bildmaß (Höhe x Breite): 34.1 x 27.1 cm

Gemäldegalerie

Objekt aus: Gemäldegalerie

Die Gemäldegalerie besitzt eine der weltweit bedeutendsten Sammlungen europäischer Malerei des 13. bis zum 18. Jahrhunderts. Die Bestände umfassen...

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