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Gemäldegalerie Malerei Tafelmalerei [1143]
https://id.smb.museum/digital-asset/1040401 (Gemäldegalerie, Staatliche Museen zu Berlin CC BY-NC-SA)
Herkunft/Rechte: Gemäldegalerie, Staatliche Museen zu Berlin (CC BY-NC-SA)
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Pfingstretabel (6 Tafeln) (Pentecost table (6 panels))

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Beschreibung

Das sechsteilige, monumentale Altarwerk zeigt im Mittelbild des unteren Registers das Pfingstwunder. Maria kniet in der Bildmitte, umgeben von den Aposteln, während Gottvater den Heiligen Geist aussendet. Das Ereignis ist in einer offenen Loggia situiert, durch die der Blick auf die Landschaft hinausgleitet. Dieser Durchblick löst einerseits die Tiefenwirkung der Komposition aus, andererseits macht er das Licht selbst zum Protagonisten des Geschehens. Auf den Seitenflügeln des unteren Registers sind jeweils zwei Heiligenpaare zu sehen: linker Hand sind es die Heiligen Franziskus und Antonius von Padua, rechter Hand die Heiligen Bernhardin von Siena und Ludwig von Toulouse. Im darüberliegenden Geschoß erscheinen zwei weitere Heiligenpaare, die als Halbfiguren abgebildet sind: links Paulus und Viktor und gegenüber Johannes und Hieronymus. Die durch die Rahmenform erhöhte Mitteltafel enthält den Schmerzensmann, von Engeln verehrt. Im Veneto ist das Pfingstgeschehen eher selten im Mittelbild eines Altarwerks anzutreffen. Die Ikonographie dürfte im vorliegenden Fall vornehmlich dem ursprünglichen Aufstellungsort – der dem Heiligen Geist geweihten Franziskanerklosterkirche zu FeltreRechnung tragen, wie Mauro Lucco mit Recht vermutet hat (1986). Daß das Altarwerk aus dem nahe Belluno gelegenen Dolomitenort Feltre stammt, wird durch weitere ikonographische Gegebenheiten gestützt: Der Stadtpatron Feltres, der heilige Viktor, ist unter den Figuren des oberen Registers. Schließlich handelt es sich um eine Klosterkirche des Franziskanerordens, weshalb dessen Hauptheilige – Franziskus, Antonius von Padua, Bernhardin von Siena und Ludwig von Toulouse – prominent auf den unteren Seitentafeln versammelt sind. Die Ausführung dieses aufwendigen Polyptychons hatte – darüber besteht in der Forschung weitgehende Übereinstimmung – die große Werkstatt der Künstlerfamilie Vivarini übernommen, umstritten bleibt dabei allerdings der genaue Anteil einzelner Mitglieder dieses Familienbetriebs wie auch die Frage, ob der ebenfalls im Veneto aktive, zuweilen mit Alvise Vivarini kooperierende Jacopo da Valenza an der Ausführung mitwirkte. Die Entstehungszeit läßt sich auf ca. 1478 bis 1480 eingrenzen. 1477 hatten die Franziskaner einen Nachlaß von 100 Dukaten zur Erneuerung ihrer Kirche erhalten. Das Polyptychon wird für den dortigen Hauptaltar bestimmt gewesen sein und dürfte mit dieser Summe in Zusammenhang stehen. Das Altarwerk gehört zu den gewaltigsten Retabelarchitekturen des Veneto. Zwar leugnet die Einteilung in übereinandergestellte Bildfelder kaum die gotische Prägung des Ganzen und damit die feste Anbindung an traditionelle Bildformate und -typologien, doch weisen die Kompositionen der einzelnen Tafeln zahlreiche originelle Bildlösungen auf. Das Pfingstgeschehen ist in der Vierung eines Sakralbaus situiert – die architektonische Inszenierung dürfte eine Verschränkung mit dem realen Raum, in welchem das Polyptychon einst zur Aufstellung kam, intendiert haben. Ebenso führt der Blick hinaus in eine offene Landschaft, womit die Begrenzung des realen Raumes zugleich betont wie durchbrochen wird. Augenfällig ist die monumentale Wirkung der stehenden Heiligen auf den Flügeln, die mit einer hohen Aufmerksamkeit für Detailrealismus ausgeführt sind. Zwar kommt es zwischen den Seiten- und der Mitteltafel zu einem Kontrast der Größenverhältnisse, doch ist diese Divergenz der Absicht geschuldet, die Tiefenwirkung der zentralen Szene durch die großen, dem Betrachter näher erscheinenden Seitenfiguren zu steigern, so daß das Pfingstgeschehen weiter in den Raum zurückversetzt wirkt. Bemerkenswert ist die einheitliche Lichtregie. Bei den Heiligen auf der linken Seitentafel rührt ein Schlagschatten von der gleichen seitlichen Beleuchtung her, die für den Schattenwurf in der zentralen Szene verantwortlich ist. Das hier gezeigte, im Kirchenjahr hochbedeutsame Pfingstereignis wird in der Scholastik als »zweite Taufe« Mariens und der Aposteln angesehen. Nicht mit Wasser werden diese getauft, sondern mit den Feuerzungen des Heiligen Geistes. Vor diesem Hintergrund lieferte das Bild dem Gläubigen eine geeignete Projektionsfläche für seine Hoffung auf Teilhabe am göttlichen Geist und damit auf die eigene Erlösung. In diesem Zusammenhang ist schließlich auch die Darstellung des von Engeln verehrten Christus im Grabe zu verstehen. Durch den Tod des Heilands ist die Voraussetzung für die Einlösung des Heilsversprechens gegeben, das eine seiner wirkmächtigsten, zugleich abstraktesten Formeln im Pfingstgedanken hat. Der Opfertod Christi ist damit exem plum für den Gläubigen. In der Nachahmung Christi, gerade für den Franziskanerorden, ist dies ein zentraler Gedanke, bereitet sich der Christ doch auf den Empfang des Heiligen Geistes vor. Die Apostelgeschichte (Kap. 2) berichtet über den Moment des Pfingstgeschehens, daß die Apostel »einmütig beieinander« waren und der Heilige Geist »in Zungen zerteilt wie von Feuer« vom Himmel auf sie herabkam. Da zwei unterschiedliche Realitäts - ebenen miteinander verwoben werden – das Pfingstgeschehen und die Anwesenheit der Franziskanerheiligen – besteht das Altarwerk aus getrennten Bühnenräumen. Die Heiligen auf den Seitenflügeln stehen auf zum Betrachter hin stufenartig abgeschrägten Granitpodesten, während die Szene des Pfingstfestes auf einem Plattenboden stattfindet. Ein Raumkontinuum ist bewußt vermieden worden. Es verdichtet sich das Gesamtbild auf die Aussage, daß die »neuen« Heiligen des Franziskanerordens das Geschehen – die Sendung der Apostel durch den Geist und damit die Inkraftsetzung des Apostolats – bezeugen. Die prominente Inszenierung der Franziskaner gleichsam als Rahmung des biblischen Ereignisses visualisiert damit einen Kerngedanken des Franziskanerordens: Ihre Angehörigen sahen sich als neue Apostel und leiteten die eigene Sendung direkt von der Aussendung der ersten Apostel ab. Insofern legitimiert das Pfingstgeschehen franziskanisches Handeln. Die Größe des Polyptychons legt nahe, daß Feltre damals ein bedeutenderes Zentrum dieses Ordens war, möglicherweise wurde dort eine Klosterschule betrieben. Mit der Vergrößerung des Chores von Santo Spirito wurde das Altarwerk vermutlich aus dem Kirchenraum entfernt. Während man über seine ältere Historie nichts weiß, ist es im frühen 19. Jahrhundert in Belluno in der Sammlung des Conte Marino Pagani nachgewiesen. Von dort gelangte es wahrscheinlich in den Besitz Edward Sollys, der seine umfangreiche Sammlung 1821 dem preußischen König überließ. Die Tafeln des oberen Registers wurden nach 1945 im Bodemuseum ausgestellt und gehörten damit zum Bestand der auf der Museumsinsel, im Ostteil der Stadt, verbliebenen Gemälde, während die Mitteltafel zusammen mit den Flügeln in der Dahlemer Galerie gezeigt wurde. Mit der Vereinigung beider Sammlungsteile konnten die einzelnen Kompartimente wieder zusammengeführt werden. Seit 2006 ist das imposante Altarwerk mit einer an originale Einfassungen des 15. Jahrhunderts angelehnte, durch aufwendiges Schnitzwerk verzierte Rahmenarchitektur im Bodemuseum ausgestellt. | Stefan Weppelmann

Material/Technik

Pappelholz

Maße

Bildmaß: untere Mitteltafel 212 x 129 cm, Bildmaß (Höhe x Breite): 212 x 129 cm, Bildmaß: oben rechts 93 x 60 cm, Bildmaß (Höhe x Breite): 93 x 60 cm, Bildmaß: obere Mitteltafel 91 x 127 cm, Bildmaß (Höhe x Breite): 91 x 127 cm, Bildmaß: unten rechts 180

Gemäldegalerie

Objekt aus: Gemäldegalerie

Die Gemäldegalerie besitzt eine der weltweit bedeutendsten Sammlungen europäischer Malerei des 13. bis zum 18. Jahrhunderts. Die Bestände umfassen...

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