"Die Könige von Kusch und ihre Angehörigen sind unter steilwandigen Pyramiden begraben worden, an deren Ostseite Opferkapellen angebaut waren. In der in den Pyramidenkörper einschneidenden inneren Westwand der Kapellen stand die Grabstele. Im Bildfeld der Stele des Prinzen Taktidamani tritt der Verstorbene betend vor den thronenden Osiris, der von seiner Gemahlin Isis mit den geflügelten Armen schützend umfangen wird. In der rechten Hand hält die Göttin die Feder der Maat, in der linken ein Gefäß, aus dem die Wasserspende fließt. Die Würde des Prinzen ist durch den über die rechte Schulter gelegten und über der Brust verknoteten Umhang und ein Diadem kenntlich, die rechte Hand hält die Lotosblüte und einen Palmzweig. Alte ägyptische Tradition ist die geflügelte Sonnenscheibe über der Szene. Unter dem Bilde enthalten sechs Zeilen in archaischen meroitischen Kursivzeichen die Opferformel. Sie gehört zu den Texten, die teilweise bereits verständlich sind: »o Isis, o Osiris, dem Taktidamani, den Dokarora gezeugt hat, den Amamteres geboren hat, gutes Brot möget ihr (?) gewähren (?), gutes...möget ihr ..., o Isis, o Osiris.«
Die meroitischen Grabstelen und die Opfertafeln, die ebenfalls mit der Opferformel beschriftet werden, enthalten häufig sehr ausführliche Angaben über die Verwandten des Toten und über seine Funktionen. Auch wenn noch längst nicht alle Titel in ihrem Bedeutungsgehalt sicher »übersetzt« werden können, sind diese Stelen die wichtigste Quelle, die uns für die Rekonstruktion der Gesellschaftsstruktur des Reiches von Kusch bisher zur Verfügung steht. Die langen in meroitischer Sprache abgefassten »historischen« Steleninschriften der Könige aus den Tempeln sind noch fast völlig unverständlich."
Aus: Ägyptisches Museum Berlin, Museumsinsel Berlin, hrsg. v. Priese, Karl-Heinz, Mainz 1991, S. 259
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