In einem hochrechteckigen, architektonischen Rahmen mit einer Hohlkehle als oberen Abschluss erhebt sich die Göttin Isis-Thermuthis, deren Unterkörper die Gestalt eines Schlangenunterleibs hat, auf einem altarförmigen Gebilde. In hellenistischer Gewandung gekleidet, die vor ihrer Brust zu einem ihr charakteristischen „Isis-Knoten“ gebunden ist, hält die Göttin in ihrer rechten Hand ein langes Zepter. In der anderen Hand hält sie vor ihrer Brust ein kleines Krokodil. Ihr Kopfschmuck ist aus Kuhhörnern mit einem Granatapfel in der Mitte, zwei Straußenfedern, und zwei seitlichen Kornähren zusammengesetzt.
In der Ptolemäerzeit wurde die Göttin Isis von der griechischen Bevölkerung in Gestalt einer Frau mit einem Schlangenleib dem überlieferten Erscheinungsbild der ägyptischen Schlangengöttin Renenutet angeglichen. Mit Thermuthis oder Ermuthis bezeichneten die Griechen den Namen der für die Nahrung bzw. Fruchtbarkeit zuständigen Schlangengöttin. In Verschmelzung mit Thermuthis werden die ernährenden und Fruchtbarkeit spendenden Aspekte der Isis besonders hervorgehoben. Auch daher besteht der Kopfschmuck der Göttin primär aus Motiven, die diesem Kontext zuzuordnen sind. Das Krokodil, das die Göttin vor sich hält, ist als eine Erscheinungsform des Horus von Schedet zu verstehen. Seit der Spätzeit kann es auch mit dem Gott Sobek identifiziert werden. In der Tat sind uns Darstellungen der Isis-Thermuthis beim Stillen des Horus von Schedet in Gestalt eines Krokodils überliefert. Schedet ist der altägyptische Name des heutigen Fayum. Durch das Stillen des Horus von Schedet wurde einerseits nochmals der mütterliche bzw. ernährende Aspekt der Isis-Thermuthis betont, andererseits wurde durch diese spezielle Erscheinungsform des Horus die Verbindung zum Herkunftsort der Stele hergestellt.
Die synkretistische Göttin Isis-Thermuthis genoss im hellenistischen und römischen Ägypten großes Ansehen. Sie wurde in mehreren Heiligtürmen verehrt. Ihre Beliebtheit wird beispielsweise durch die Vielzahl der griechisch-ägyptischen Terrakotten in ihrer Gestalt belegt. Die Berliner Kalksteinstele war vermutlich einem Heiligtum der Göttin im Fayum geweiht.
(I. Liao)
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